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Von Meerwasser zu mehr Wasser: Verfahren der solaren Wasseraufbereitung

Kurz nach den Sommerferien haben viele den Strandurlaub noch gut in Erinnerung. Meerwasser heißt für die lokale Bevölkerung aber leider oft nicht mehr Wasser. Zumindest keines, das für den Menschen nutzbar ist. Salz, Schadstoffe und Abwässer verunreinigen den lebensnotwendigen Rohstoff. Forscher am Fraunhofer ISE  – mich eingeschlossen – beschäftigen sich seit vielen Jahren mit innovativen Verfahren zur solaren Wasseraufbereitung.

Auch wenn man sich zunächst fragt, warum das Thema Wasseraufbereitung an einem Fraunhofer-Institut mit dem Schwerpunkt »Solare Energiesysteme« angesiedelt ist, macht die Kombination der beiden Forschungsfelder durchaus Sinn. Gerade in Gegenden mit hoher Sonneneinstrahlung herrscht häufig besonders große Wasserknappheit. Außerdem steht Solarenergie auch dort zur Verfügung wo es kein Stromnetz gibt und die Infrastruktur sehr schwach ist, trotzdem aber Menschen leben die sauberes Trinkwasser brauchen. Da lag der Gedanke nahe, neben den PV-Modulen gleich die gesamte Entsalzungstechnologie zu entwickeln und so den ganzen Prozess aus einer Hand zu gestalten und abzustimmen.

Schlüsseltechnologien: Membrandestillation und Umkehrosmose

Die Steckenpferde im Bereich der Wasseraufbereitung am Fraunhofer ISE sind die Membrandestillation (MD) und die Umkehrosmose (Reverse Osmosis, RO).

Abbildung 1: Schema Membrandestillation © Solar Spring GmbH, http://www.solarspring.de/
Abbildung 1: Schema Membrandestillation © Solar Spring GmbH, http://www.solarspring.de/

Das Verfahren der Membrandestillation funktioniert, einfach erklärt, wie eine Gore-Tex-Regenjacke, bei der vom Körper erwärmte Feuchtigkeit nach außen verdunsten kann, Flüssigkeit von außen aber nicht in die Jacke vordringt. Eine Membrandestillationsanlage ist vom Prinzip her ähnlich aufgebaut. Mittels Solarthermie oder anderer Abwärme wird Salzwasser, das in die Anlage eingeleitet wird, erhitzt. Ähnlich der Gore-Tex-Jacke enthält der Aufbau eine  hydrophobe Membran mit einer Porengröße von etwa 0,2 µm, die den molekularen Wasserdampf durchlässt, flüssiges Wasser hingegen abstößt. Auf der anderen Seite der Membran wird hinter einer Kondensatorschicht Kühlwasser entlanggeführt. Der Wasserdampf schlägt sich als Permeat an der Kondensatorschicht nieder und kann als destilliertes Trinkwasser ausgeleitet werden. Konzentriertes Salzwasser und Feststoffe bleiben als Retentat zurück. Im Zuge der Kondensation wird Wärme frei, die sich auf das Kühlmedium überträgt und damit innerhalb des Kreislaufs zur Vorwärmung des Salzwassers dient.

Abbildung 2: Schema Umkehrosmose © Fraunhofer ISE
Abbildung 2: Schema Umkehrosmose © Fraunhofer ISE
Abbildung 3: Dreidimensionaler Aufbau einer Umkehrosmoseanlage © Fraunhofer ISE
Abbildung 3: Dreidimensionaler Aufbau einer Umkehrosmoseanlage © Fraunhofer ISE

Die Umkehrosmose hingegen basiert, wie der Name schon sagt, auf der Umkehrung des Osmose-Prozesses. Hier werden zwei Flüssigkeiten, in unserem Fall Salzwasser und Trinkwasser, durch eine semipermeable Lösungsdiffussionsmembran voneinander getrennt. Indem auf das Salzwasser mechanischer Druck ausgeübt wird, werden die starken Bindungskräfte zwischen Wasser und Salz aufgebrochen und die Moleküle gezwungen, entgegen ihrer osmotischen Ausbreitungsrichtung zu wandern. Der osmotische Druck, den es mindestens zu überwinden gilt, steigt annähernd proportional mit dem Salzgehalt und liegt bei Meerwasser bei ca. 24 bar. Zum Vergleich: ein Autoreifen hat ca. 4 bar, ein Fahrradreifen ca. 2-6 bar. Um das abgetrennte Süßwasser durch die Membran zu pressen, werden in Entsalzungsanlagen typischerweise Drücke  von ca. 60 bar aufgewendet. Dabei passiert 30-50% des Wassers die Membran, 50-70% konzentrierte Sole bleibt zurück.

Vorteile und Nachteile der Verfahren

Beide Verfahren weisen Vor- und Nachteile auf und welches am Ende das Mittel der Wahl darstellt, hängt stark von den Rahmenbedingungen ab.

Bei der Membrandestillation handelt es sich um ein thermisches Verfahren, bei dem durch das Verdampfen sehr reines Wasser entsteht. Als Antriebsenergie kann z.B. Abwärme oder auch Solarthermie eingesetzt werden. Die Umkehrosmose braucht hingegen ausschließlich elektrische Energie, die durch Photovoltaik erzeugt werden kann, um den mechanischen Druck zu generieren. Der Energiebedarf steigt mit dem Salzgehalt und beträgt bei Meerwasser ca. 3,5 kW/m³. Im Vergleich zu einem solarthermisch betriebenen MD System ist die PV-RO kostengünstiger, steht jedoch kostenfreie Abwärme zur Verfügung ist die MD eine wirtschaftliche Alternative. Nachteil der RO gegenüber der MD ist, dass die Reinheit des gewonnenen Wassers weniger gut ist, da hier immer auch Salze mit durch die Membran wandern. Außerdem stößt die RO bei sehr hohen Salzgehalten wegen des steigenden Drucks an ihre Grenzen während die MD nahezu bis zur Sättigung der Salzlösung betrieben werden kann.

Die RO ist bereits an vielen Stellen in der industriellen Wasseraufbereitung etabliert während für die MD ein sehr großes Potenzial genau in den Bereichen wie der Behandlung konzentrierter Abwässer gesehen wird wo die RO nicht mehr betrieben werden kann. Abwärme steht ebenfalls im industriellen Umfeld häufig zur Verfügung.

Anwendungsmöglichkeiten im industriellen Umfeld

Besonders gefragt sind die Technologien rund um das Thema Membrandestillation in Ländern wie China und Indien. Dort sind die Auflagen in Bezug auf Abwassereinleitung zum Teil so hoch, dass aus manchen Industrieparks keine flüssigen Abwässer abgeleitet werden dürfen. Im Hinblick auf das Ziel »Zero-Liquid-Discharge«, also vollständige Feststoff- Abtrennung und Entsorgung, kann  das Membrandestillationsverfahren zukünftig einen wesentlichen Beitrag leisten. Im BMBF-Projekt HighCon untersucht und optimiert das Fraunhofer ISE gemeinsam mit der TU Berlin genau diesen Prozess.

Besonders interessant ist ein derzeit laufendes Projekt der Firma MAHLE, zusammen mit dem Fraunhofer ISE und der TU Hamburg Harburg, bei dem ein völlig neues Membrandestillationsmodul vom ISE entwickelt wurde und zur Zeit testweise in der Schifffahrt eingesetzt wird, um Trinkwasser zu produzieren. Hier bietet sich das Verfahren an, da Abwärme von Dieselmotoren reichlich vorhanden ist. Die Anlage wurde im Mai 2016 in Rotterdam auf einem Containerschiff eingebaut und befindet sich seither auf großer Fahrt um die Welt.

Abbildung 4: Einbau der MD-Anlage auf dem Containerschiff in Rotterdam
Abbildung 4: Einbau der MD-Anlage auf dem Containerschiff in Rotterdam. ©MAHLE
Membrandestillationsanlage der Firma MAHLE mit eingebautem Membrandestillationsmodul des Fraunhofer ISE
Abbildung 5: Membrandestillationsanlage der Firma MAHLE mit eingebautem Membrandestillationsmodul des Fraunhofer ISE. ©MAHLE

Potential des Forschungsfelds

Leider muss man sagen, dass Geldgeber innerhalb Deutschlands das Potential des Forschungsfelds noch nicht erkannt haben. Derzeit werden weltweit ca. 95 Mio m³ Wasser pro Tag entsalzt und es handelt sich dabei um eine exponentielle Entwicklung. Die arabische Halbinsel, Algerien und die gesamte MENA-Region errichten riesige Anlagen, aber auch Frankreich ist, aufgrund seiner ehemaligen Kolonien, weit vorne dabei. Länder, die besonders viel in Forschung und Entwicklung in diesem Feld investieren sind z.B. Israel, Singapore, Abu Dhabi, oder Saudi Arabien. Gerade Singapore und Israel haben bereits  sehr ausgeklügelte Wassersysteme, bei denen sowohl solare Meerwasserentsalzung als auch Water-Reuse-Technologien in großem Umfang eingesetzt werden.

Neben dem Einsatz im industriellen Umfeld birgt das Thema Trinkwasseraufbereitung natürlich eine ganz besondere Motivation. Schaut man sich an, wie rapide die Trinkwasserressourcen zur Neige gehen und welchen Stellenwert Wasser mittlerweile in weltweiten Konflikte einnimmt, erkennt man, dass es neben rein wirtschaftlichen Faktoren ganz andere Anreize gibt, Forschung in diesem Feld zu betreiben. Es ist und bleibt ein wichtiges Ziel, die Idee der dezentralen Wasseraufbereitungssysteme mit erneuerbaren Energien weiter voranzubringen. Dann gibt es mittels der beschriebenen Technologien für die lokale Bevölkerung in ariden Regionen hoffentlich in Zukunft wirklich mehr Wasser ohne zusätzlichen fossilen Energieverbrauch, anstatt nicht verzehrbarem Meerwasser.

 

 

Joachim Koschikowski

Dr. Joachim Koschikowski ist Leiter der Abteilung »Wasseraufbereitung und Stofftrennung« am Fraunhofer ISE.

Er studierte Maschinenbau an der Gerhard Mercator Universität Duisburg mit Fokus auf Konstruktion und Erneuerbaren Energien.
Seit 1996 arbeitet er am Fraunhofer ISE. Seit 1999 im Bereich der solaren Entsalzungstechnologien mit Schwerpunkt auf der Entwicklung, Konstruktion und Simulation von Membrandestillationssystemen. Dieses Thema war auch Schwerpunkt seiner Dissertation.

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