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Photovoltaik – der ganz normale Wahnsinn

Mit SolarWorld ist jetzt ein weiterer großer deutscher Photovoltaik-Hersteller insolvent geworden. „Was ist los mit der Photovoltaik hierzulande?“ fragen sich viele und „Wie geht es weiter?“. Bei den Antworten gilt es, drei Bereiche auseinanderzuhalten: Politik, Wirtschaft und Technik. Die Photovoltaik (PV) ist technisch und wirtschaftlich weltweit auf dem Siegeszug. Zusammen mit der Windenergie wird sie ein Grundpfeiler der klimafreundlichen Energieversorgung der Zukunft sein. Doch so wichtig die lokale und nachhaltige Produktion von Solarmodulen wäre, die kapitalorientierte Marktwirtschaft nimmt darauf keine Rücksicht.

Was ist passiert?

China ist nicht nur der größte Hersteller, sondern heute auch der größte Markt für Photovoltaik weltweit. Im Jahr 2016 wurden in einigen Regionen in China so viel Freiland-Photovoltaikkraftwerke installiert, dass einerseits die staatlich vorgegebenen Installationsziele schneller erreicht wurden als geplant und andererseits das Netz die erzeugte Energie nicht mehr aufnehmen kann. Insgesamt wurden in China in 2016 rund 34 GW installiert – etwa 126 % mehr als in Jahr 2015. Mit Beginn des Jahres 2017 war es daher schwieriger, Genehmigungen für Freiland-Photovoltaikanlagen zu erhalten und es wurde in China entsprechend weniger PV installiert. Im ersten Quartal waren es 7GW – der Absatz in China ging zurück! Die Hersteller sitzen auf Überkapazitäten und verkaufen zu Modulpreisen, die unter den Herstellungskosten liegen. Diese Preissenkungswelle kam im Frühjahr 2017 in Europa an und hat dabei auch SolarWorld überflutet. Der Konzern hatte sich nach der ersten Pleitewelle gut reorganisiert und gerade Millioneninvestitionen für den Umbau auf die Zukunftstechnologie PERC-Solarzelle (Passivated Emitter Rear Contact) getätigt. Das bedeutet den Übergang vom weltweit noch dominierenden multikristallinen Silicium auf monokristallines Material und komplexe neue Prozessschritte für die Rückseitenkontaktierung. Insgesamt zeichnet sich ab, dass diese Technik das Arbeitspferd der nächsten Generation wird. In dieser Phase war die Liquiditätsdecke zu dünn, um die zweite Welle des Preisverfalls zu überstehen.

Auch in China gab es in den letzten Jahren Insolvenzen, doch waren das angesichts der Dominanz der chinesischen Photovoltaikindustrie keine spürbaren „Marktbereinigungen“. Hinter dieser wirtschaftlichen Entwicklung steht ein klares politisches Ziel: Erneuerbare Energien sollen Chinas Energiehunger stillen und gleichzeitig ein wichtiger Exportartikel sein. Dafür stellt die chinesische Regierung konsequent Kapital und den regulatorischen Rahmen bereit. In Europa gibt es zwar auch Ziele, wie die Pariser Beschlüsse zur Energiewende, doch die Taten fehlen: Um das PV-Ziel zu erreichen, müsste es in Deutschland statt der 1,5 GW Zubau wie in 2016 jedes Jahr mindestens 6 GW geben.

Wie sieht der Weltmarkt aus?

Der weltweite Photovoltaik-Zubau betrug 2016 rund 75 GW. Die insgesamt installierte Leistung hat bereits ein Drittel des Wegs zur Terawattmarke geschafft. Die Modulpreise sinken gerade auf 0,4 Euro pro Watt, sogar Preise von 0,3 Euro pro Watt wurden schon genannt. In China selbst sind Preise unter 0,25 Euro pro Watt erzielt worden. Die größten Hersteller und Absatzmärkte zeigt Abb. 1. China ist mit Abstand der wichtigste Player, gefolgt von den USA. Indien und Südamerika könnten bald ebenfalls ein rasantes Marktwachstum zeigen.

PV Absatzmärkte weltweit
PV Absatzmärkte weltweit. Daten: IHS, Grafik: PSE AG 2017

Rund 69 % der produzierten Module besteht aus multikristallinem Silicium, 24 % aus mono-Silicium, etwa 6 % ist aus Cadmium-Tellurid CdTe, etwa 1 % Kupfer-Indium-Selenid CIS. Die letzten beiden Vertreter gehören zu den Dünnschichtzellen, die unter anderem besondere Vorteile bei der Gebäudeintegration bieten. Typische Wirkungsgrade der multikristallinen Silicium-Module liegen bei 17 bis 19 %, bei mono etwa 1-2 Prozentpunkte höher.
Zwei Trends kennzeichnen die Technologieentwicklung: Die Kosten der Solarzellen sinken, die Wirkungsgrade steigen. Da die restlichen Systemkosten wie Glas, Stahl, Aufständerung, Kabel nicht in gleichem Maß sinken, werden hohe Wirkungsgrade immer wichtiger. Bei entsprechenden Mengen ist auch hochwertiges Material und komplexer Zellaufbau kein Hinderungsgrund mehr für ein Massenprodukt. So war die PERC-Zelle ursprünglich eine exotische Hochleistungszelle, die jetzt beste Chancen hat, Standardtechnologie zu werden.

Wohin entwickelt sich die Technik?

Die Forschung ist der Produktion etwa fünf Jahre voraus. Die theoretische Grenze für den Wirkungsgrad bei Silicium liegt bei 29,4 %. Der japanische Hersteller Kaneka hält derzeit den Weltrekord mit 26,6 % – übrigens vom CalLab PV Cells des Fraunhofer ISE zertifiziert. Das Ziel liegt hier bei 27 %. Um dann noch weiter zu kommen, braucht es anderes Material und/oder Konzentration (CPV Concentrated Photovoltaics). Den absoluten Weltrekord für Photovoltaikzellen hält derzeit das Fraunhofer ISE mit einer Vierfach-Zelle bestehend aus Halbleitermaterial mit Elementen aus der dritten und fünften Gruppe des Periodensystems (III-V-Material). Der Wirkungsgrad ist 46,0 % bei 508facher Konzentration. Mit Soitec ist diese Technik bereits vielversprechend in den Markt gestartet. Auch hier brachte letztlich ein Kapitalproblem das Aus. Rein technisch wäre eine Weiterentwicklung jederzeit sinnvoll und möglich.

Ein zunehmend an Bedeutung gewinnender Forschungszweig richtet sich heute auf eine Kombination des bewährten Siliciums für den langwelligen Teil des Sonnenspektrums mit einem weiteren Material, das eher im Blauen effizient ist. Das könnten III-V-Halbleiter oder Perowskite sein.

Die III-V-Technik wird schon sehr lange untersucht und wurde kontinuierlich weiterentwickelt. Praktisch hat sie den Markt für Anwendungen im Weltraum erobert. Auf der Erde werden solche Zellen in Konzentratorsystemen eingesetzt. An der Kombination mit Silicium wird schon sehr lange gearbeitet. Nun gelang es vor Kurzem am Fraunhofer-ISE Gallium-Indium-Phosphid und Gallium-Arsenid mit Silicium zu einer monolithischen Dreifach-Solarzelle zu kombinieren und damit 31,5 % Rekordwirkungsgrad zu erzielen.

Prinzipaufbau der Dreifach-Weltrekordzelle
Prinzipaufbau der Dreifach-Weltrekordzelle. ©Fraunhofer ISE

Perowskit ist die Bezeichnung für eine Kristallstruktur, die in der Photovoltaik relativ neu genutzt wird, aber eine rasante Entwicklung hinter sich hat. In drei bis fünf Jahren könnte man so gut sein wie die III-V-Materialien. Dabei könnten Perowskite Kostenvorteile bieten, da sie wie Dünnschichtzellen aufgedampft oder wie organische Solarzellen aus einer Lösung heraus aufgetragen werden könnten. Zwei große Hürden sind noch zu überwinden: Die mangelnde Transparenz begrenzt den Wirkungsgrad und eine ungeklärte Stabilität die Lebensdauer.

Sowohl bei den Perowskiten als auch bei den III-V-Materialien scheinen die Probleme überwindbar. Das Ziel ist jedenfalls 30+ % mit Silicium als Basis.

Lohnt sich PV in Deutschland?

Noch im Jahr 2012 war Deutschland wichtigster Absatzmarkt überhaupt, heute spielt er global gesehen kaum noch eine Rolle. Wichtigster Grund sind die massiven Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Nicht nur die Einspeisehöhe, sondern auch die Einführung einer Abgabe für Eigenverbrauch und eine generelle Verunsicherung wie sich die Gesetzeslage weiter entwickelt, haben die Begeisterung der breiten Bevölkerung abgekühlt.

Für die Tatsache, dass es keine großen deutschen PV-Hersteller mehr gibt, kann man rationale Gründe in der Wirtschaft und in der Politik finden. Für den Einbruch in der Nachfrage fällt das schwerer. Denn die große Ironie der solaren Erfolgsgeschichte in Deutschland ist, dass sie just in dem Moment zu Ende ging, als die Photovoltaik die Grid Parity unterschritt, also in den Gestehungskosten ohne jede Förderung billiger war als der Strompreis beim End- und vielen Gewerbekunden!

Auf die Frage, ob sich PV in Deutschland lohnt, ist die klare Antwort: Sie hat sich immer gelohnt und lohnt sich gerade wieder ganz besonders, denn Solarstrom ist so billig wie nie zuvor: Kraftwerke in der Freifläche erreichen heute in Deutschland Gestehungskosten von 6 Eurocent/kWh. Das ist vergleichbar mit neuen Kohlekraftwerken. Das britische Hinkley Point Atomkraftwerk erreicht 10 Eurocent/kWh.

Endkunden können bei Aufdachanlagen mit 8-12 Eurocent/kWh rechnen und es mehren sich Angebote von unter 1300 Euro/Kilowatt fertig installiert. Dazu kommen rapide sinkende Speicherpreise, so dass sich auch dieser Weg zur Erhöhung des Eigenverbrauchs wirtschaftlich erschließt.

Wie müsste eine PV-Produktion in Europa aussehen?

Die gute Nachricht ist: Photovoltaik kann wegen ihres hohen Automatisierungsgrads in Deutschland und Europa zu ähnlichen Kosten produziert werden wie in China, wenn die Einkaufspreise für das Material gleich sind. Und die hängen von der Menge ab. Eine entsprechende Produktion müsste mindestens 1 GW Ausstoß mit Ausbaumöglichkeit in zweistellige GW haben. Die Frage ist, wer ist bereit, diese Investition zu tätigen? Die Investoren bräuchten mehr Sicherheit und das heißt einen klaren politischen Rückhalt.

Je länger man wartet, desto größer wird der Schritt. Bald werden 10 und mehr Gigawatt die untere Schwelle für eine rentable Produktion sein. Wenn in Europa kein Umdenken einsetzt, wird es, wie mit vielen anderen Innovationen geschehen, die hier entwickelt wurden und mittlerweile in Asien produziert werden. Dass es prinzipiell auch anders gehen kann, zeigen die deutsche Autoindustrie und die Luftfahrtindustrie.

Das wichtigste Argument: Wenn wir keine eigene Produktion aufbauen, werden wir bei der Photovoltaiktechnologie ebenso von wenigen ausländischen Produzenten abhängig, wie es heute bei Öl und Gas ist. Der Aufbau einer nachhaltigen PV-Produktion wäre eine Strategie, die gut zur Rolle Europas als Technologiemotor passt: Unsere Photovoltaik-Forschungslandschaft ist immer noch weltweit Spitze. Wir könnten jetzt die Fertigung mit Technologien von morgen aufbauen und dann wieder stark auf dem Weltmarkt sein, wenn die heute weltweit führenden Produktionsanlagen alt geworden sind – spätestens in fünf Jahren!

Fazit

Die Photovoltaik ist weltweit gerade erst am Anfang ihres Siegeszugs. Sie lohnt sich auch in Deutschland immer stärker, Wissenschaft und Technik werden ihre Hausaufgaben machen und die Photovoltaik wird einen immer höheren Anteil an unserem Energiebedarf decken. Ob davon auch die europäische Wirtschaft profitiert, ist eine andere Frage, die auch die Politik zentral – und die bestimmen in einer Demokratie wir alle – beantworten kann.


Andreas Bett

Prof. Dr. Andreas Bett ist einer der beiden Institutsleiter
des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE

Andreas Bett hat an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sowohl das Diplom in Mathematik als auch Physik erworben. Er promovierte 1992 in Physik an der Universität Konstanz und ist seit 1987 Mitglied des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg. Seit 2020 ist er außerdem Professor für »Solare Energie – Materialien und Technologien« an der Fakultät für Mathematik und Physik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Seine Hauptarbeitsgebiete sind Silicium- und III-V Materialien für Solarzellen, sowie die Herstellung und Charakterisierung von Solarzellen.

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