Innovation4E
Beleuchtetes Hauptgebäude des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme ISE im Dunkeln. © Fraunhofer ISE

Bald alles kalt und dunkel hier?

Die Energiewende in Deutschland ist ein riesiges Projekt, das uns seit Jahrzehnten beschäftigt und – wenn alles nach Plan geht –  uns auch bis zur Mitte des Jahrhunderts noch beschäftigen wird. Denn bis dahin hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, energiebedingte CO2 Emissionen um mindestens 95% zu reduzieren. Zu schaffen ist dies nur mit einem grundlegenden Umbau des Energiesystems. Auch wenn die meisten Bürgerinnen und Bürger diesen Umbau grundsätzlich befürworten, sehen viele laut des Sozialen Nachhaltigkeitsbarometers die konkrete Umsetzung kritisch.

Ich kann gut verstehen, dass die großen Veränderungen, die teils schon im Gange sind und noch kommen werden, verunsichern können. Niemand möchte riskieren, unsere sichere Energieversorgung zu gefährden. Eine Sorge, die wir oft hören:

Woher kommt der Strom, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint? Und damit verbunden: Ist es nicht fahrlässig, zusätzlich bis 2022 auch das letzte Atomkraftwerk vom Netz zu nehmen?

In einem Streitgespräch der Freiburger Diskurse e.V. im Dezember 2020 haben Prof. Friedrich Wagner und ich diese Fragen diskutiert. Die ausführliche Antwort kann man sich auf Youtube und eingebettet am Ende des Beitrags anschauen. Die kurze Antwort kommt hier:

Woher kommt der Strom, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint?

Wenn wir in einem zukünftigen, klimaneutralen Energiesystem temporär eine positive Residuallast haben, also mehr Strom verbrauchen, als die Erneuerbaren Energieträger produzieren, müssen wir auf Strom zurückgreifen, der zuvor im System gespeichert wurde. Dies tun zum Beispiel stationäre Batterien und Pumpspeicher. Zusätzlich brauchen wir einen Park an regelbaren Kraftwerken, die zur Verfügung stehen, wenn die Erneuerbaren Energien und Kurzzeitspeicher nicht ausreichen, die Lasten zu decken. Das können Gaskraftwerke, Gas- und Dampfkombikraftwerke und Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung sein.

Mit Hilfe von Elektrolyseuren wird auch die Energie zum Betrieb dieser regelbaren Kraftwerke zunehmend – und spätestens 2050 vollständig – CO2 neutral sein. Denn wann immer Sonne und Wind mehr Strom produzieren, als gerade gebraucht wird, nutzen Elektrolyseure diesen grünen Strom, um damit grünen Wasserstoff herzustellen. Gut speicherbar, beliefert dieser bei Bedarf die Kraftwerke.


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Zum Weiterlesen:

Sehr detailliert haben wir diesen Weg vom alten ins neue Energiesystem in der 2020 erschienen Studie »Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem« dargelegt:

https://www.ise.fraunhofer.de/de/veroeffentlichungen/studien/wege-zu-einem-klimaneutralen-energiesystem.html

Die in der Studie besprochenen verschiedenen Zukunftsszenarien, erklärt Christoph Kost auch in einer Reihe von Blogbeiträgen:

https://blog.innovation4e.de/2020/04/17/wege-zu-einem-klimaneutralen-energiesystem-widerstand-gegen-grosse-infrastrukturen/ 

Hans-Martin Henning

Prof. Dr. Hans-Martin Henning ist einer der beiden Institutsleiter am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE. An der Universität Freiburg ist er außerdem Professor für Solare Energiesysteme im Institut für Nachhaltige Technische Systeme der Technischen Fakultät. Seit 2020 ist er Mitglied und Vorsitzender des Expertenrats für Klimafragen der Bundesregierung.

2 Kommentare

  • Der Beitrag ist schon fast ein Jahr alt, und vielleicht würde sein Autor ihn heute so gar nicht mehr verfassen, aber ich möchte dennoch anmerken, dass das Szenario „Elektrolyseure wandeln Überschussstrom in H2, und dieser wird gespeichert sowie später in thermischen Kraftwerken verheizt (also wieder in Strom umgewandelt“ inzwischen durchgerechnet und verworfen wurde. Überschussstrom mag kostenlos sein; Elektrolyseure sind es indes nicht, und die erheblichen Anlagenkosten müssten auf die vergleichsweise kurzen Phasen mit kostenlosem Überschussstrom abgezinst werden. Das wird nichts.

Hans-Martin Henning

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