Innovation4E

Können Wärmepumpen überhaupt ausreichend hohe Heizkreistemperaturen liefern?

Folge 2 der Serie «Wärmepumpen im Bestand»: Warum die maximal erforderliche Temperatur nicht entscheidend ist

Bei der Diskussion über die Einsatzmöglichkeiten von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden, ist das Hauptgegenargument die zu Grunde gelegte, sehr hohe Heizkreisvorlauftemperatur. Diese würde zu einer schlechten Effizienz der Wärmepumpen führen und sei folglich ein Ausschlusskriterium für den Einsatz von Wärmepumpen.  

Dabei spielen zwei Fragestellungen eine Rolle. Zum einen: Können Wärmepumpen eigentlich die in Bestandsgebäuden notwendigen Vorlauftemperaturen liefern? Und zum anderen: Wie hoch sind die tatsächlich notwendigen Vorlauftemperaturen in der Praxis? 

Eine detaillierte Antwort auf die erste Frage ist von vielen Aspekten – wie zum Beispiel der Art des Kältemittels oder des Kompressors – abhängig. Pauschal kann man sagen, dass Standard-Wärmepumpen ohne Probleme eine Vorlauftemperatur von 55° bis 60°C erreichen können. Das ist ein eher konservativer Richtwert. So genannte “Hochtemperaturwärmepumpen” für den Einsatz in Wohngebäuden können ca. 65° bis 70°C erzielen (in Industrie und Gewerbe ist dieser Begriff dagegen für Wärmepumpen reserviert, die über 100°C erreichen). Auf dem Markt sind auch Geräte verfügbar, die 75°C erreichen können – zum Beispiel Wärmepumpen mit dem natürlichen Kältemittel Propan. Die erste Frage lässt sich also mit “ja” beantworten: die heutigen Wärmepumpen sind allein (ohne den zusätzlichen direktelektrischen Heizstab) in der Lage, die in der Regel notwendigen Temperaturniveaus zu erreichen.

Die Ergebnisse aus einem umfangreichen Feldmonitoring von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden (Ein- und Zweifamilienhäuser), das am Fraunhofer ISE durchgeführt wurde, haben unter anderem gezeigt, dass die erreichte mittlere Effizienz der Geräte relativ hoch liegt. Für manche auf den ersten Blick wahrscheinlich sogar überraschend hoch.  

Bei der Auswertung der Messdaten, gab es noch eine Überraschung: die relativ niedrigen mittleren Vorlauftemperaturen. Nach tiefergehender Analyse sind wir auch auf die – oft als notwendig erachteten – hohen Vorlauftemperaturen gestoßen. Und zwar nur an den kältesten Tagen und nur bei einigen Wärmepumpenanlagen. Diese Tage waren allerdings so selten, dass sie auf die Gesamteffizienz der Anlagen kaum einen Einfluss hatten. Selbst bei unsanierten Wohngebäuden mit alten Heizkörpern mussten Wärmepumpen eine Vorlauftemperatur von lediglich ca. 55°C erzielen, um eine angenehme Raumwärme zu gewährleisten.

© Fraunhofer ISE

Das beschriebene Phänomen kann anhand dieser Grafik erklärt werden. Prinzipiell gilt: je tiefer die Außentemperatur (die horizontale Achse) desto höher die Heizkreistemperatur (orange Linie) und desto niedriger die Effizienz der Wärmepumpe (grüne Linie). Entscheidend für die mittlere (Jahres-) Effizienz ist, wann (bei welchen Temperaturen) der Großteil der Wärme bereitgestellt wurde (blaue Fläche). Zu 75-90% wird die erforderliche Heizwärme bei moderaten Außentemperaturen bereitgestellt. Dabei sind die erforderlichen Vorlauftemperaturen nicht sehr hoch, was zu guten Effizienzen führt.

Zusammenfassend sind zwei Schlüsse zu ziehen. Erstens sind Wärmepumpen in der Lage, auch hohe Heizkreistemperaturen zu liefern, wie sie an sehr kalten Tagen notwendig sind. Und zweitens sind gar nicht die maximalen, sondern die mittleren Heizkreistemperaturen für die Gesamteffizienz ausschlaggebend. Das heißt, Wärmepumpen können auch in Bestandsgebäuden die benötigte Wärme mit zufriedenstellender Effizienz bereitstellen.

Die beschriebenen Erkenntnisse bestätigt eine Feldstudie aus der Schweiz. Auch bei dieser Studie wurden Wärmepumpen unter anderem in Bestandsgebäuden analysiert. Sehr ähnlich wie bei der Studie des Fraunhofer ISE lagen die maximalen Heizkreistemperaturen bei den untersuchten Wärmepumpen mit Heizkörpern um 55°C. Die zentrale Aussage der Autoren der Ostschweizer Fachhochschule lautet: „Wärmepumpen können bei ordentlicher Planung, Installation und Inbetriebnahme fossile Heizungsanlagen auch im Gebäudebestand effizient ersetzen“.  

Die nächste Folge unserer Serie wird sich mit folgenden Fragen beschäftigen: Muss ein Haus zuerst saniert werden, damit eine Wärmepumpe installiert werden kann? Können Wärmepumpen in Bestandsgebäuden eine angenehme Raumwärme bereitstellen? Was passiert, wenn das Gebäude nach dem Einbau der Wärmepumpe saniert wird?

Zum Weiterlesen:

Überblick über die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von Wärmepumpen.

Projektberichte:

Günther et al., Fraunhofer ISE (2020) Wärmepumpen in Bestandsgebäuden: Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „WPsmart im Bestand“. https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/downloads/pdf/Forschungsprojekte/BMWi-03ET1272A-WPsmart_im_Bestand-Schlussbericht.pdf

Prinzing et al, OST – Ostschweizer Fachhochschule 2020: Bericht «Feldmessungen von Wärmepumpen-Anlagen Heizsaison 2019/20». https://www.ost.ch/fileadmin/dateiliste/3_forschung_dienstleistung/institute/ies/wpz/sonstige_wichtige_dokumente/2020_jahresbericht_feldmessungen.pdf

Titelbild © Pixabay

Dieser Blogbeitrag wird finanziell durch die Stiftung Klimaneutralität unterstützt.

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Marek Miara

Marek Miara verfügt über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien. Am Fraunhofer ISE arbeitet er bereits seit 18 Jahren, gegenwärtig ist er dort als „Business Developer Heat Pumps“ tätig. Er ist Master-Absolvent der Technischen Universität Breslau (2000) sowie der Universität Kassel (2004). Im Jahr 2014 promovierte er an der Technischen Universität Breslau.
Neben nationalen Projekten betreute er internationale EU-Projekte und Aktivitäten im Rahmen von IEA - Heat Pump Technologies. Für Annex 50 (Heat Pumps in Multi-Family Buildings for Space Heating and DHW) wurde ihm die Rolle des „Operating Agent[s]“ anvertraut. Zudem ist er Mitglied bei mehreren Gremien des VDI (Verband Deutscher Ingenieure), Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Kälte- und Klimatechnik (DKV), Vorstandsmitglied des Europäischen Wärmepumpenverband (ehpa) sowie Mitbegründer der polnischen Wärmepumpenverbandes (PORT PC).

3 Kommentare

  • Kennen Sie einen für Privatanwender brauchbaren Rechner, der mit wenigen, leicht verfügbaren Eingaben (Sanierungszustand/Wärmedämmung, Heizkörperart, PLZ) die benötigte Vorlauftemperatur und die zu erwartende JAZ ausgibt?

    Wir wollen für ein Bauprojekt eine Wärmepumpe einbauen, finden aber keine Möglichkeiten, die Rechnung selbst durchzuführen (offizieller JAZ-Rechner von BWP setzt voraus, dass VLT und und Heizungsmodell bekannt).

    Die meisten von uns befragen Installateure gaben Aussagen ab wie “Nur mit Fußbodenheizung sinnvoll” und versuchen, eine Gas- oder Pellet-Heizung zu verkaufen.

    • Es gibt eine relativ neue Studie vom Efeu Institut in Heidelberg. Der Name der Studie lautet “Energieeffizienz als Türöffner für erneuerbare Energien im Gebäudebereich”.
      Darin wird hergeleitet, dass für eine ausreichende Jahresarbeitszahl (JAZ) eine maximale Vorlauftemperatur von 55°C erreicht werden muss. Damit ergibt sich eine alternative und einfache Vorgehensweise für die Prüfung, ob eine Wärmepumpe für eine Gebäude geeignet ist oder auch nicht. Denn die Auslegung der erforderlichen Vorlauftemperatur sollte zum Standardrepertoir eines jeden Heizungsfachbetriebes gehören.
      Die Berechnung der Heizlast und die Prüfung der erforderlichen Vorlauftemperatur kann dabei raumweise erfolgen. Sollten einer oder mehrere Räume höhere Temperaturen benötigen, können in diesen Räumen ggf. neue Heizkörper mit höherer Wärmeabgabe, z.B. sogenannte Niedertemperaturheizkörper nachgerüstet werden. Mehr zum Thema gibt es auch unter https://youtu.be/3zW8hteaabo

    • Die Studie, auf die sich bezogen wird, wurde mit einer Anzahl von rund 50 Wärmepumpen durchgeführt. Die Gebäude, in denen die Wärmepumpen eingebaut wurden, können allerdings nicht als typische Bestandsgebäude bzw. “Altbauten” bezeichnet werden. Ein Großteil der Gebäude wurden nach 1978 (nach Einführung der ersten Wärmeschutzverordnung) errichtet, oder waren nachträglich bereits energetisch modernisiert. Darüber hinaus verfügten ein nennenswerter Teil der Gebäude über eine Flächenheizung und/oder über ein zusätzliches Heizsystem.

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