Innovation4E
Wärmepumpen-Hochlauf in Deutschland

Der »Wärmepumpen-Hochlauf« in Deutschland: Worauf es jetzt ankommt

Aufgrund der aktuellen politischen Entwicklungen wird das Thema Wärmepumpen derzeit intensiv diskutiert. Uns erreichten in den letzten Wochen zahlreiche Medienanfragen – dies zeigt den hohen Informationsbedarf in der Bevölkerung. Wir haben daher Dr. Marek Miara, Experte für Wärmepumpen am Fraunhofer ISE, um ein Gespräch gebeten und ihm zentrale Fragen gestellt.

Innovation4E:
Herr Miara, sechs Millionen neue Wärmepumpen will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bis 2030 in Deutschland einbauen lassen – das sind 500.000 Stück pro Jahr ab 2024. Schaffen wir diesen »Wärmepumpen-Hochlauf«?

Marek Miara:
In der Tat ein sportliches Ziel, aber ich bin optimistisch, dass wir den »Wärmepumpen-Hochlauf« stemmen können. Denn die öffentlichen Diskussionen und das enorme Interesse der Medien an Wärmepumpen führen dazu, dass sich mehr Know-how breit macht und Eigenheimbesitzer und Wohnungsbaugenossenschaften konkreter planen können. Nicht zuletzt führt das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung zum Einbau von neuen Gas- und Ölheizungen dazu, dass der Handlungsdruck steigt: Ab dem 1. Januar 2024 muss möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden.

Wir vom Fraunhofer ISE möchten mit unseren Forschungsarbeiten den flächendeckenden Einbau von Wärmepumpen wissenschaftlich begleiten. Unsere Feldtests zeigen, dass die Geräte auch bei Bestandsgebäuden eine ausreichende Heizleistung liefern – vorausgesetzt, die Wärmepumpe ist richtig dimensioniert. Dies gilt nicht nur für Ein- und Zweifamilienhäuser, sondern auch für Mehrfamilienhäuser. Es geht jetzt um das Fine-tuning – also darum, die Effizienz der Geräte zu steigern und Best-practice-Lösungen zusammen mit der Industrie und der Wohnungswirtschaft zu erarbeiten.

Wie reagiert die Wärmepumpen-Branche auf die politischen Vorgaben?

Damit die Branche auf die gestiegene Nachfrage reagieren kann, hat sie in den vergangenen Monaten ihre Produktionskapazitäten enorm ausgebaut. Die Absatzzahlen für Januar und Februar 2023 (jeweils 29.000 Wärmepumpen) rücken die Wegmarke von 350.000 Wärmepumpen für dieses Jahr in Reichweite. Ähnlich wie in der Automobilindustrie sollen auch in der Wärmepumpenbranche Standards etabliert und so Synergien geschaffen werden. Mit dem entstehenden Know-how können eine modulare Bauweise (Baukasten-System) für unterschiedliche Baureihen und Leistungsklassen und somit weitere Kräfte gebündelt werden, was den Markthochlauf für Propan-Wärmepumpen weiter ankurbeln wird.

Wärmepumpen laufen ohne teures Gas, aber ist Strom nicht auch viel zu teuer?

Die Energiekosten sind im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine rasant gestiegen, für Öl, Gas und Strom. Dies belastet die Wirtschaft genauso wie die privaten Haushalte. Ich gehe davon aus, dass mit der seit Januar 2021 geltenden CO2-Bepreisung die Gas- bzw. Heizölkosten stärker steigen werden als die Stromkosten. Auch wird der Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere der Photovoltaik und Windkraft, dazu führen, dass die Strompreise wieder sinken. Damit werden Wärmepumpenanlagen wirtschaftlich immer attraktiver. Die Wärmepumpe läuft im Optimalfall nur mit »grünem« Strom, und der kommt zunehmend aus Deutschland – am besten direkt von Dach, von der eigenen PV-Anlage.

Welche Kältemittel sind geeignet?

Eines unserer Forschungsfelder betrifft die Wahl des Kältemittels. Die Regulierung der sogenannten F-Gase (fluorierter Treibhausgase) durch die EU zwingt die Hersteller von Wärmepumpen zu einer Umstellung auf umweltfreundliche Kältemittel. Am Fraunhofer ISE haben wir bereits erfolgreich den Einsatz von Propan als natürliches Kältemittel getestet – es erweist sich als kostengünstig und klimafreundlich. Uns ist es gelungen, einen Rekord aufzustellen: Wir konnten einen sehr effizienten Kältekreis mit nur 124 Gramm Propan bei einer maximalen Heizleistung von 12,8 Kilowatt erzielen. Dies entspricht einer spezifischen Kältemittelfüllmenge von 9,7g/kW Leistung. Dieses Ergebnis wurde im Rahmen des Forschungsprojekts »LC150« erreicht, in dem auf der Suche nach dem effizientesten Propan-Kältekreis mehrere Dutzend Prototypen für Sole-Wärmepumpen gebaut wurden. Die einzelnen Komponenten, also Verdampfer, Verdichter, Kondensator, Wärmeübertrager und Expansionsventil, wurden dabei in verschiedenen Konstellationen zusammengesetzt.

Die Reduzierung der Kältemittelmenge auf unter 150 Gramm Propan macht es möglich, Propan-Wärmepumpen nun auch ohne zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen im Inneren von Gebäuden aufzustellen, ähnlich wie Kühlschränke (150 Gramm stellen den Grenzwert in Deutschland dar, Anmerkung der Redaktion). Das erweitert den Kreis der Anwendungen der zukünftigen Geräte erheblich.

Propan-Wärmepumpe
Ein Mitarbeiter im Projekt LC 150 (»low charge 150 g«) führt eine Messung an der am Fraunhofer ISE entwickelten Wärmepumpe durch. © Fraunhofer ISE

Eignen sich Propan-Wärmepumpen auch für Mehrfamilienhäuser?

Im gerade gestarteten Nachfolgeprojekt »LC R290« arbeiten wir wieder mit einem Konsortium aus Wärmepumpenherstellern und diesmal auch der Wohnungswirtschaft zusammen. Es geht unter anderem darum, die Kältemittelreduktion auf größeren Leistungen/Anlagen zu übertragen. Ziel dieses Projekts ist es, Propan-Wärmepumpen für Mehrfamilienhäuser zu entwickeln. Konkret geht es um Lösungen für drei Anwendungsfelder: Etagenheizungen, innen aufgestellte Zentralheizungen sowie höhere Leistungsklassen für außen aufgestellte Wärmepumpen. Für den Ersatz der Zentralheizung im Keller sollen Wärmepumpen mit größerer Leistung entwickelt werden, ebenso wie breit umsetzbare Sicherheitskonzepte. Die außen aufgestellten Wärmepumpen mit größerer Leistung werden mit Fokus auf Kältemittelreduktion und optimierte Abtauung weiterentwickelt und durch vereinheitlichte sicherheitstechnische Prüfungen bewertet.

Ziel ist es, durch die Kältemittelreduktion und verbesserte Abtauung größere Leistungen mit der gleichen Aufstellfläche und Sicherheitszone zu erzielen, was den Einsatz größerer Wärmepumpen im urbanen Raum erleichtern würde. In zwei Jahren wissen wir mehr – dann liegen die ersten Ergebnisse aus dem Projekt vor.

Sind Wärmepumpen die einzige Heiztechnologie der Zukunft?

Die Wärmepumpe hat den großen Vorteil, dass sie den Strom sehr effizient nutzen kann: Sie kann aus einer Kilowattstunde Strom 3 bis 5 Kilowattstunden Wärme machen. Eine gute Gasheizung schafft maximal ein Verhältnis von 1 zu 1 von der eingesetzten Energie zur produzierten Wärme. Aufgrund der politischen Maßnahmen zur CO2-Reduktion gehen wir am Fraunhofer ISE davon aus, dass Wärmepumpen in den kommenden Jahren die dominierende Heiztechnologie für Wohngebäude sein werden – aufgrund von Effizienz und Klimaschutz. Und um uns unabhängig von Energieimporten und fossilen Rohstoffen zu machen.

Darüber hinaus sind beispielsweise Wärmenetze als Versorgungsinfrastruktur grundsätzlich gut geeignet. Insbesondere in verdichteten Siedlungsräumen können Wärmeströme aus erneuerbaren Energien und Abwärme kostengünstig bereitgestellt werden – dies wird für die kommunale Wärmeversorgung immer interessanter.  

Wo sollen eigentlich die ganzen Handwerker herkommen, die die vielen neuen Wärmepumpen einbauen?

Aufgrund des Fachkräftemangels in Industrie und Handwerk muss die Aus- und Weiterbildung auf den aktuellen Stand gebracht werden. Und es sind Lösungen gefragt, die den Geräteeinbau vereinfachen. Hier können uns Digitalisierung und Künstliche Intelligenz helfen, Montage, Installation und Betrieb zu steuern. Darüber hinaus soll es zukünftig möglich sein, Angebote für den Wärmepumpeneinbau mithilfe einer neuen KI-Software viel einfacher als bisher zu erstellen. Die Heizungs- und Sanitärbranche investiert aber auch selbst in den Wärmepumpenmarkt und intensiviert etwa die Ausbildung in dem Bereich.

Um Antworten auf all diese Fragen zu erhalten, haben wir am Fraunhofer ISE mehrere Projekte gestartet. Wir stehen dabei in engem Austausch mit der Wärmepumpenbranche, also den Herstellern von Komponenten und fertigen Geräten.

Herr Miara, vielen Dank für das Gespräch.

Zum Weiterlesen:

Blogserie „Wärmepumpen im Bestand“ von Dr. Marek Miara

Wärmepumpen für Mehrfamilienhäuser im Bestand
Projekt-Webseite»LowEx im Bestand«

Umweltfreundliche Kältemittel
Forschung am Fraunhofer ISE 

Digital im Heizungskeller: Bestand erfassen und Angebote erstellen
Projekt Digitalisierung der Bestandsaufnahme und Angebotserstellung im SHK-Handwerk

Marek Miara

Marek Miara verfügt über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien. Am Fraunhofer ISE arbeitet er bereits seit 18 Jahren, gegenwärtig ist er dort als „Business Developer Heat Pumps“ tätig. Er ist Master-Absolvent der Technischen Universität Breslau (2000) sowie der Universität Kassel (2004). Im Jahr 2014 promovierte er an der Technischen Universität Breslau.
Neben nationalen Projekten betreute er internationale EU-Projekte und Aktivitäten im Rahmen von IEA - Heat Pump Technologies. Für Annex 50 (Heat Pumps in Multi-Family Buildings for Space Heating and DHW) wurde ihm die Rolle des „Operating Agent[s]“ anvertraut. Zudem ist er Mitglied bei mehreren Gremien des VDI (Verband Deutscher Ingenieure), Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Kälte- und Klimatechnik (DKV), Vorstandsmitglied des Europäischen Wärmepumpenverband (ehpa) sowie Mitbegründer der polnischen Wärmepumpenverbandes (PORT PC).

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