Das Grundprinzip von solarthermischen Kollektoren ist einfach. Alle nutzen Sonnenlicht, um ein Wärmeträgermedium zu erhitzen und damit Wärmeenergie verfügbar zu machen. Die einen versorgen in unseren Breitengraden Haushalte mit Warmwasser und Heizwärme. Die anderen stehen im Sonnengürtel der Erde, treiben mit Wasserdampf Turbinen an und versorgen ganze Regionen mit Strom. Über die Jahre hat die Technologie neue Anwendungen gefunden und die Vielfalt an solarthermischen Standard- und Nischenprodukten ist riesig. Um die Qualität von Solarkollektoren und anderen thermischen Wärmeerzeugern, z. B. Wärmepumpen, sicherzustellen und für Transparenz auf dem internationalen Markt zu sorgen, spielen akkreditierte Testeinrichtungen heute eine wichtige Rolle. Wie eine Testeinrichtung in diesem Umfeld agiert und sich dabei immer wieder neu erfindet, beschreibt Dr. Korbinian Kramer, Leiter des TestLab Solar Thermal Systems am Fraunhofer ISE in Freiburg.
Ohne Wärmewende keine Energiewende. Das besagen seit vielen Jahren immer wieder zitierte Zahlen: Die angestrebte CO2-Reduktion von 80-95 Prozent bis zum Jahr 2050 ist nur möglich, wenn die Energiewende in allen Energiesektoren erfolgt. Rund 50 Prozent der Endenergie in Deutschland und Europa werden im Wärmebereich verbraucht. Allerdings ist die Energiewandlung im Wärmesektor diverser als im Stromsektor. Grund dafür sind dezentrale, heterogene Technologien, Markt- und Kostenstrukturen sowie eine Vielfalt an Akteuren. Umso wichtiger ist es für Transparenz und Vergleichbarkeit der Technologien und Produkte zu sorgen – insbesondere bei einem möglichen Umbau hin zu einer stärkeren Koppelung des Strom- und Wärmesektors. Die Performanz, Zuverlässigkeit und Qualität verschiedener Technologien vergleichbar zu machen, schafft Vertrauen und die Basis für eine zielführende Marktentwicklung. Dieser Zusammenhang ist eine zentrale Motivation für die Arbeit unserer Testlabore im Allgemeinen und für die Solarthermie am TestLab Solar Thermal Systems des Fraunhofer ISE im Speziellen.
Über 35 Jahre Erfahrung:
Von der Gründungszeit bis zur Wärmewende
Das TestLab Solar Thermal Systems existiert seit der Gründung des Fraunhofer ISE 1981. Damals hatte es noch nicht diesen Namen und war ganz anders aufgestellt als heute. Aber das Potenzial der Solarthermie für eine Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energien, hat schon das Gründungsteam des Fraunhofer ISE erkannt. Neben der Forschung und Entwicklung in diesem Bereich wurde auch das Thema Testen und Prüfen vorangetrieben. Das Labor hat sich über die Jahrzehnte weiterentwickelt und seine Serviceleistungen stark ausgebaut. Wir sind mit den Anforderungen des Marktes und unserer Kunden gewachsen. Natürlich lassen sich heute viel mehr Fragestellungen rund um die Entwicklung und Qualitätssicherung von Solarkollektoren auch mit Simulationen klären. Hersteller müssen nicht mehr für jede Fragestellung einen Prototyp bauen, der dann den vollständigen Testzyklus durchläuft. Aber manche Tests sind eben nicht durch Softwareprogramme zu ersetzen, und die Komplexität der Zusammenhänge aller Prüffaktoren kann noch immer nicht vom Computer abgebildet werden. Und so zählt das TestLab Solar Thermal Systems bis heute zu den renommiertesten akkreditierten Prüfeinrichtungen für Solarthermie weltweit und genießt auch international in der Branche ein hohes Ansehen.
Trotzdem ist das kein Anlass, sich auszuruhen, sondern heißt für uns »immer am Ball bleiben«. Denn der Markt für solarthermische Kollektoren ist globaler geworden und jeder nationale Markt durchläuft eine andere Entwicklungsstufe. Es werden sowohl hochautomatisierte Fertigungen im großen Maßstab betrieben, als auch von kleinen spezialisierten Handwerkern Nischenmärkte bedient. Noch dazu sind weitere Technologien und Produkte für die Wärmeerzeugung dazu gekommen. Daher konzentrieren wir unser Serviceangebot längst nicht mehr ausschließlich auf Solarkollektoren, die wir unter natürlichen und simulierten Wetterbedingungen, Temperaturen und Lasten testen, sondern prüfen auch Wasserspeicher, Pumpen oder Ventile. Es ist kein Jahr vergangen, in dem wir nicht neue Tests für neue Anforderungen oder Produkte dazu entwickelt haben. In jüngster Zeit übertragen wir unsere Erfahrung vor allem auf unser Serviceangebot für Prüfungen von Wärmepumpen. Zu Gute kommt uns dabei neben vielen technischen Analogien in Detailfragen, dass mit dem Keymark Qualitätslabel für Wärmepumpen ab 2017 dasselbe Zertifizierungssystem zur Anwendung kommt, das wir bereits seit zehn Jahren in der Solarthermie anwenden.
Service jenseits des Standards:
Solarkollektoren im Wintertest
Die Europäische Norm (EN) 12975 bzw. die EN ISO 9806 ist maßgebend für die Tests von solarthermischen Kollektoren. Sie legt z. B. auch die erforderlichen mechanischen Prüfverfahren fest. In diesem Kontext prüft das TestLab Solar Thermal Systems die Leistung sowie Funktion von Solarkollektoren und führt außerdem entwicklungsbegleitende Tests für die Zulassung von neuen Produkten durch. Bei klassischen Kollektortests zählen für Kunden vor allem Schnelligkeit und hohe Verlässlichkeit. Trotzdem ist die Bandbreite je nach Prüfungsart und -umfang sehr groß: Die einfachsten Tests von Standardkollektoren können in 2-3 Tagen abgewickelt werden, aufwändige Tests können bis zu einem Dreivierteljahr dauern. Um spezielle Prüfungen jenseits der klassischen Randbedingungen zu ermöglichen, entwickelt das Labor auch neue Testverfahren und Teststände. Nicht zuletzt weil wir am TestLab Solar Thermal Systems oft sehr früh Einblick in neue Entwicklungen erhalten, können wir frühzeitig feststellen, ob auf Seite der Prüfnormen Schritt gehalten wird oder ob Anpassungen notwendig sind. Dieses reflektierte und proaktive Vorgehen ist sicherlich ein zentraler Aspekt, der uns von anderen Testeinrichtungen unterscheidet.
Um ein Beispiel zu nennen: Wir haben einen Teststand entwickelt und im Einsatz, mit dem realistische Schnee- und Windlasten nachgeahmt werden können. Dieser ist natürlich nicht für alle Kollektortypen und Zielländer relevant, für einige aber entscheidend. Unser Ziel war es die Solarkollektoren indoor einem Test zu unterziehen, um die realistischen Grenzen der mechanischen Belastbarkeit von Kollektoren zu ermitteln. Bis zu neun Quadratmeter große Flach- und Vakuumkollektoren können getestet werden, auch weil hierzu Rechenverfahren nur bedingt in der Lage sind. Um diese Grenzen austesten zu können sind die Prüflinge (PV-Module oder Solarkollektoren) Belastungen bis zu zehn Tonnen Druck und Zug ausgesetzt. Die Besonderheit des Prüfstandes ist, dass die Lastprüfungen bei variablen Temperaturen von -40 °C bis +60 °C durchgeführt werden können. Es lassen sich auch zyklische und asymmetrische Belastungen simulieren, wie sie real durch das Aufstauen von Schnee und Eis entstehen. Mit dem Prüfstand können wir außerdem die Verbindungstechniken und Montagesysteme der Kollektoren bei unterschiedlichen Temperaturen und realistischen Lastfällen untersuchen. Insbesondere bei organischen Materialkomponenten, wie Klebern oder polymerbasierten Verbindungsteilen spielt dies eine erhebliche Rolle und wird von der Norm nicht berücksichtigt.
Zusammenspiel der Branche:
Konkurrenz und Transparenz schließen sich nicht aus
Mit der Entwicklung solcher Teststände bedienen wir aber nicht nur einen Bedarf unserer Kunden und erweitern unser Serviceportfolio, sondern generieren auch wichtiges Wissen als Input für zukünftige Prüfnormen und spiegeln diesen an die entsprechenden Gremien zurück. Dieses Wechselspiel – und bei aller Konkurrenz auch das Miteinander – in der Solarthermiebranche, trägt aus unserer Sicht wesentlich dazu bei, für Fortschritt, Qualität und Transparenz am Markt zu sorgen. In diesem Spannungsfeld konnten wir in den vergangenen Jahren auf Grund unserer Erfahrung und unseres Netzwerks viel beitragen und eine positive Marktentwicklung im Sinne einer Mindestanforderung an die Qualität von Produkten unterstützen. Wir führen darüber hinaus nicht nur selbst Prüfungen durch, sondern beraten auch Investoren und Betreiber beim Aufbau eigener Testeinrichtungen. Das bedeutet vordergründig zwar Konkurrenz, aber mit etwas mehr Weitblick unterstützen wir so das Einhalten von internationalen Standards und die Vergleichbarkeit von Produkten weltweit.
Im Sinne der Gestaltung der Branche und der Wärmewende kommt ein weiterer Vorteil des TestLab Solar Thermal Systems ins Spiel. Als Forschungsinstitut betreibt das Fraunhofer ISE neben dem Prüfstand für solarthermische Kollektoren auch angewandte Forschung im Bereich der Solarthermie und vielen angrenzenden Disziplinen. Denn als akkreditiertes Prüflabor verfassen wir mit dem Abschlussbericht selbstverständlich eine neutrale Bestandsaufnahme, geben jedoch keine Empfehlung für die Optimierung von Produkten. Es können aber eigenständige Projekte mit unseren Kollegen in den wissenschaftlichen Abteilungen aufgesetzt werden, um mögliche Optimierungspotenziale zu erarbeiten und zu realisieren. Das kann für Kunden von Vorteil sein, die bei der Entwicklung ihrer Produkte Unterstützung benötigen. Mein Team profitiert ebenfalls vom Know-how am Institut und den kurzen Wegen zu Fachkollegen, z. B. Experten für Beschichtungen, wenn es darum geht unsere eigenen Methoden und Verfahren voranzutreiben.
Erfahrung und Beratung:
Das tollste Equipment macht noch keinen Erfolg
Unser TestLab Solar Thermal Systems ist gemäß den Anforderungen der internationalen Standards ausgestattet. Mit seiner Infrastruktur erfüllt es die Bedingungen für Prüfungen nach Solar Keymark, Solar Rating & Certification Corporation (SRCC) und Energy Label. Das ist sicherlich eine Grundvoraussetzung, für Erfolg aber nicht allein ausschlaggebend. Wesentlich ist das Team, das mit diesem Equipment arbeitet. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen sowohl aus dem Ingenieurwesen als auch aus der Wissenschaft. Viele haben zuvor eine praktische Ausbildung absolviert und sind schon lange dabei. Zusammen haben wir über 500 Kollektoren und Anlagen für unsere Kunden vermessen und charakterisiert. Das ist ein »Erfahrungsschatz«, auf den wir bei jeder neuen Kundenanfrage zurückgreifen können.
Eine unserer großen Stärken ist die individuelle Beratung vor den eigentlichen Tests. Je mehr wir im Vorfeld zuhören und fragen, desto zielgerichteter können wir konkrete Angebote erstellen. Für unsere Kunden sind dieses Know-how und diese Beratungskompetenz meist entscheidend und bauen ein Vertrauensverhältnis auf. Als Team hatten wir in Zeiten mit einem Marktwachstum für solarthermische Kollektoren von über 40 Prozent noch mehr Freiheiten. Aber auch heute probieren wir gerne Neues aus, tüfteln an Konzepten und sehen uns in unserer Arbeit bestätigt, wenn sich einer unserer Vorschläge tatsächlich in der Veröffentlichung einer Norm niederschlägt. So ist es uns z. B. gelungen alle deutschen Hersteller von Luftkollektoren an einen Tisch zu holen und davon zu überzeugen, eine Industrienorm auszuarbeiten, auf deren Basis sie später bei der Vermarktung ihrer Produkte in Konkurrenz zueinander treten können. Das hat allen Beteiligten viel abverlangt, letztendlich aber die Transparenz und Akzeptanz für eine neue Technologie deutlich gesteigert.
Das TestLab Solar Thermal Systems prüft solarthermische Komponenten und Komplettsysteme. Es ist eine durch DIN CERTCO anerkannte Prüfstelle und durch die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) voll akkreditiert. Darüber hinaus unterstützt das TestLab Solar Thermal Systems Kunden bei der Entwicklung ihrer Produkte. Für den weltweiten Service stehen eine große Freibewitterungsfläche sowie mit modernster Technik ausgestattete Labors zur Verfügung. Das TestLab Solar Thermal Systems arbeitet außerdem aktiv an der Entwicklung von neuen empirischen Testmethoden für Standards und individuelle Fragen. |
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