Auf der diesjährigen Hannover Messe wurde der Prototyp eines Systems vorgestellt, mit dem man ein herkömmliches Fahrrad zu einem E-Bike aufrüsten kann. Das Besondere dabei: Eine Brennstoffzelle liefert die für den Antrieb benötigte Energie. Im Gespräch mit den Entwicklern des Brennstoffzellensystems, dem Erfinder des Antriebs und einem E-Bike Experten lassen wir uns das System und die Idee dahinter erklären, betrachten Vor- und Nachteile und schauen auf geeignete Anwendungsfälle für Brennstoffzellen-Bikes.
Innovation4E:
E-Bikes werden immer beliebter. Bereits jedes vierte verkaufte Fahrrad in Deutschland hat eine elektronische Unterstützung an Bord. Beim »LiteFCBike« handelt es sich aber nicht um ein herkömmliches Elektrofahrrad. Was ist das Besondere daran, Herr Kurz?
Timo Kurz:
Das Besondere an diesem Fahrrad ist die Stromversorgung: In herkömmlichen Pedelecs wird die Energie in einem Akku gespeichert, der bei der Fahrt entladen wird. Im »LiteFCBike« ist im Akkugehäuse eine Brennstoffzelle untergebracht, die den kleineren Akku während der Fahrt nachlädt. Das Fahrrad kann also Wasserstoff statt Strom „tanken“. Als Abgas entsteht nur feuchte Luft.
Innovation4E:
Der Antrieb inklusive Elektronik befindet sich bei den meisten E-Bikes am
Tretlager oder in der Nabe von Hinter- oder Vorderrad. Der hier verbaute
»Conodrive« befindet sich dagegen am Gepäckträger. Bitte erläutern Sie uns das
Konzept, Herr Fernandez.
José Fernandez:
Das »Conodrive« -System ist für sportliches Radfahren konzipiert. Ein sportlicher Fahrradfahrer fährt auf der Ebene (oder bei leichten Anstiegen) mit reiner Muskelkraft deutlich schneller als die für Pedelecs zugelassenen 25km/h. Bei starken Steigungen dagegen kommt auch ein gut trainierter Radler kaum auf dieses Tempo. Hier setzt »Conodrive« an: Der Motor kommt ausschließlich bei Steigungen zum Einsatz und ist optimiert für den Geschwindigkeitsbereich zwischen 15 und 21 km/h. Hier erreicht der Motor einen Wirkungsgrad von bis zu 90 %. Fährt man dagegen auf flachem Terrain, wird der Antrieb mechanisch komplett vom herkömmlichen Antriebssystem des Fahrrads getrennt, womit es – im Gegensatz zum normalen E-Bike- keinerlei Verluste beim reinen Muskelantrieb gibt. Ein weiterer Vorteil des Systems ist sein geringes Gewicht: Das Antriebssystem wiegt insgesamt nur ca. 1,3 kg, dazu kommt noch der Akku, bzw. beim »LiteFCBike« das Brennstoffzellensystem mit ca. 3,3 kg. Das Gesamtsystem bringt also etwa 4,6 kg auf die Waage, bei den meisten herkömmlichen E-Bikes beträgt das Zusatzgewicht durch Motor, Akku, Elektronik und Co. zwischen sieben und zehn Kilogramm. Gerade bei ausgeschaltetem Antrieb macht sich dieser Unterschied ganz erheblich bemerkbar.
Innovation4E:
Wie funktioniert das in der Praxis? Nehmen wir an, ich befinde mich gerade am Fuß eines Anstiegs. Was muss ich tun, um die Motorunterstützung zuzuschalten?
José Fernandez:
Das ist denkbar einfach. Wie bei den meisten E-Bikes gibt es auch hier ein Display, auf dem die wichtigsten Motorparameter wie Spannung, Leistung, Akkukapazität und andere Informationen angezeigt werden. Über das Display kann auch der Motor ein- und ausgeschaltet und die gewünschte Unterstützung eingestellt werden. Für das Schwenken des Antriebs gibt es bei diesem Modell noch einen separaten Drehschalter am Lenker, quasi eine Kupplung. Über ein Zugseil wird damit der Kontakt des Antriebs mit dem Reifen hergestellt. Es gibt aber bereits eine weiterentwickelte Version, bei der der Antrieb automatisch beim Ein- und Ausschalten zum Reifen hin- bzw. wegbewegt wird. Das ist dann noch einfacher und spart sogar noch etwas Gewicht.
Innovation4E:
Was muss man in Sachen Reifen bzw. Mantel beachten? Gibt es starken Abrieb, und eignet sich jeder Reifentyp?
José Fernandez:
Ja, auf Grund der erhöhten Reibung beim Reibantrieb, entsteht – aber natürlich nur während der Benutzung – die doppelte Abnutzung am Hinterreifen: einmal durch den Asphalt – wie bei allen anderen Fahrrädern – und das zweite Mal an der Rolle des Antriebs. Aber, wie oben erwähnt, auf Grund der etwas anderen Systemphilosophie benutzt man den Antrieb nur für Steigungen, d.h. etwa 10 bis 20 % der Zeit. Sowohl Profilreifen als auch Slicks sind für den Antrieb geeignet, allerdings ist die Reibrolle auf bestimmte Reifenbreiten (700x23c und 700x25c) beschränkt. Bei diesen Reifentypen sind die Energieverluste deutlich geringer und das Zusammenspiel mit dem Motor ist optimal. Erfahrungsgemäß hält ein Reifen bei einer solchen »Conodrive« -Nutzung etwa 6000 bis 8000 km.
Innovation4E:
Herr Theis: Auf velostrom.de berichten Sie über die neuesten Entwicklungen auf dem E-Bike Markt und testen Fahrräder und Komponenten. Sie haben also einen guten Überblick über vorhandene Technologien und Konzepte. Beim »LiteFCBike« unterscheiden sich sowohl der Antrieb als auch die Energiebereitstellung deutlich von „normalen“ E-Bikes. Was sind die Vorzüge, was die Nachteile?
Alexander Theis:
Die Vorteile liegen im Wesentlichen in der hohen Effizienz und dem geringen Gewicht des »LiteFCBikes«. Während ein herkömmliches Pedelec in der Regel um 25 kg wiegt, ist das »LiteFCBike« durch das geringe Zubaugewicht des Antriebs ca. 10 kg leichter. Im Gegenzug ist der Antrieb nicht dafür entwickelt, direkt aus dem Stand heraus zu unterstützen. Durch das Konzept, den Antrieb nur an Steigungen zu nutzen, spricht dieses Bike sportliche Radfahrer an, die nur gelegentliche Unterstützung benötigen.Die Energiebereitstellung über eine Brennstoffzelle ist beim »LiteFCBike« besonders innovativ und außerordentlich zukunftsträchtig. Denn diese Technologie hat das Potential, das Reichweitenproblem bei Lastenrädern im professionellen Einsatz zu lösen.
Bedingt durch den Fokus auf ein geringes Gewicht ist der mitgeführte Brennstoffvorrat beim »LiteFCBike« vergleichsweise gering. Bei einem Lastenrad, vor allem im professionellen Einsatz, ist das Gewicht eher von untergeordneter Bedeutung. Würde man also beim Lastenrad, beispielsweise durch einen Drucktank, den H2-Vorrat erhöhen und das System an einen gängigen Lastenradantrieb adaptieren, könnten Radlogistiker ihren Aktionsradius deutlich vergrößern und kämen ohne Nachladen über den Tag.
Innovation4E:
Die meisten E-Bikes haben einen abnehmbaren Lithium-Ionen-Akku, den man via Netzteil an einer Steckdose laden kann. Wie funktioniert das Aufladen bzw. „Tanken“ beim Brennstoffzellensystem?
Timo Kurz:
Grundsätzlich muss man zwischen zwei Tanktypen unterscheiden: Für das »LiteFCBike« haben wir aufgrund der Größe einen Metallhydridspeicher verwendet. Der ist bei kleinen Wasserstoffmengen (ca. 10 g beim LiteFCBike) deutlich kompakter als ein Drucktank. Er lässt sich problemlos auf moderatem Druckniveau (unter 30 bar) beladen, somit kann sich jedermann – mit inzwischen auf dem Markt erhältlichen Klein-Elektrolyseuren – seinen Tank zu Hause laden. Der Nachteil sind jedoch längere Tankzeiten als bei Drucktanks, vergleichbar mit modernen Akkus.Für größere Wasserstoffmengen (100 g oder deutlich mehr, z.B. für Lastenräder oder größere Fahrzeuge) ist ein Drucktank die bessere Wahl: Hier wird je nach Typ mit 300 bar oder mehr getankt. Die Tanks sind leichter als vergleichbare Metallhydridtanks und lassen sich deutlich schneller betanken, vergleichbar mit Benzin an der Tankstelle. Der einzige Nachteil ist die benötigte Betankungsinfrastruktur, hier muss zum Befüllen eine entsprechende Tankstelle angefahren werden.
Innovation4E:
Wäre es denkbar, das Brennstoffzellensystem in einem Gehäuse unterzubringen, das kompatibel zu gängigen E-Bike-Antrieben ist und anstelle eines herkömmlichen Akkus verwendet werden kann?
Timo Kurz:
Ja, auf jeden Fall! Das jetzige System besitzt eine ähnliche Geometrie wie gängige Fahrradakkus. Mit kleineren Anpassungen und nach der Entscheidung, ob der integrierte Metallhydridtank oder ein externer Drucktank verwendet werden soll, kann es für andere Pedelec-Antriebe eingesetzt werden.
Innovation4E:
Wir sehen immer mehr Lastenräder für die unterschiedlichsten Transportzwecke auf unseren Straßen. Je größer und schwerer das zu bewegende Fahrzeug ist, desto mehr Raum und Last steht i.d.R. auch für den Akku bzw. Tank zur Verfügung. Wie schneidet hier das Brennstoffzellensystem im Vergleich ab?
Timo Kurz:
Je größer der vorhandene Platz und je höher die benötigte Energiemenge, desto stärker kann die Brennstoffzelle ihre Vorteile ausspielen: Im Gegensatz zu Akkus und Batterien sind bei einem Brennstoffzellensystem Energiespeicher und Energiewandler voneinander getrennt. Wird (z.B. für eine höhere Reichweite) mehr Energie benötigt, muss nur der Speicher und nicht der Wandler vergrößert werden.
Somit bietet sich ein Brennstoffzellensystem ideal für Lastenfahrräder an: Es ist genug Platz für große Wasserstofftanks vorhanden und die Betankung geht schneller als bei Akkus.
Innovation4E:
Dann ist es also wahrscheinlicher, dass ein weiterentwickeltes Brennstoffzellensystem künftig im Cargobike-Bereich eingesetzt wird oder sehen wir doch das »LiteFCBike« in der vorgestellten Form demnächst beim Fahrradhändler?
Weitere Informationen:Timo Kurz:
Das »LiteFCBike« war eine (erfolgreiche) Ausnahme, um zu zeigen, wie klein sich ein Brennstoffzellensystem gestalten lässt. Es ist ein funktionsfähiger Demonstrator, den wir als Alternative zu herkömmlichen Akkus entwickelt haben. Nach jetzigem Stand ist jedoch nicht geplant, dieses System 1:1 zu einem fertigen Produkt weiterzuentwickeln.
Wir sind aber intensiv im Gespräch mit verschiedensten Partnern – Herstellern von Lastenrädern und Antrieben – darüber, wie eine Weiterentwicklung aussehen könnte. Darüber hinaus sind wir weiterhin offen für Partner, die in eine Produktentwicklung einsteigen wollen. Die Zukunft des »LiteFCBike« ist also noch offen.
LiteFCBike – Brennstoffzellensystem für einen E-Gepäckträger
Kommentieren