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10 Jahre Energy-Charts – 10 Grafiken zur Energiewende

Mit einer alarmierenden Meldung fing alles an: 2011 warnten die Medien vor einem Blackout an Pfingsten, weil die Solareinspeisung hoch und die Last niedrig sei. Darüber habe ich mich so sehr geärgert, dass ich begann, Daten zur Stromerzeugung in einem Foliensatz zusammenzutragen. Ziel war es, die Debatte um die Energiewende zu versachlichen, indem der Öffentlichkeit Daten leicht verständlich zur Verfügung gestellt werden.

Aus einem Foliensatz als PDF wurde vor zehn Jahren eine interaktive Webseite, auf der man Grafiken selbst konfigurieren und in verschiedenen Formaten herunterladen kann. Heute stellen die Energy-Charts in vier Sprachen Daten aus 42 europäischen Ländern zur Verfügung. Nutzerinnen und Nutzer können sich über Stromerzeugung, Emissionen von Kraftwerken, Klimadaten, Stromhandel oder Börsenstrompreise informieren.

Anhand von 10 ausgewählten Grafiken aus 10 Jahren Energy-Charts möchten wir zeigen, welche spannende Entwicklung die Energiewende in den vergangenen zehn Jahren durchlaufen hat.

Grafik 1: Erzeugung erneuerbaren Stroms seit 1990

Die Grafik zeigt die Erzeugung aus erneuerbaren Energien seit der deutschen Wiedervereinigung. In den ersten Jahren, bis 2003, war die Wasserkraft noch die dominierende Größe, bevor sie 2003 vom Wind abgelöst wurde. Die Photovoltaik spielte zunächst überhaupt keine Rolle, das ändert sich erst langsam mit der Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2000. Auch die Biomasse trat erst ab dem Jahr 2000 auf den Plan. Wind aus Offshore-Anlagen kam 2013 hinzu. Während der Ausbau von Photovoltaik und Windkraft, v.a. Onshore, weiter zunimmt, stagnieren Biomasse und Wasserkraft mittlerweile.

Grafik 2: Gesamte Nettostromerzeugung seit dem Jahr 2000

Die Animation zeigt die jährlichen Anteile der verschiedenen Energiequellen an der gesamten Nettostromerzeugung in Deutschland von 2000 bis zum 30.07.2024. Die Nettostromerzeugung umfasst auch Strom, der z.B. zum solaren Eigenverbrauch erzeugt wurde (als Aufdach- oder Balkonanlage). Auffällig ist der hohe Anteil der Kernkraft, der im Jahr 2000 noch 30 Prozent der Nettostromerzeugung ausmachte. Der Anteil der erneuerbaren Energien lag noch im einstelligen Bereich. Das sollte sich innerhalb von 20 Jahren radikal ändern: 2023 trugen die Erneuerbaren erstmals mehr als 50 Prozent zur Nettostromerzeugung bei, während die Kernkraft aufgrund der Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke am 15.04.2023 nur noch 1 Prozent ausmachte. Der Anteil der fossilen Energien an der Stromerzeugung ging im gleichen Zeitraum um 20 Prozent zurück.

Grafik 3: Nettostromerzeugung aus fossilen Energieträgern in Deutschland

Die Erzeugung aus Kohlekraftwerken blieb nach der deutschen Wiedervereinigung noch lange Zeit auf einem hohen Niveau, geht seit 2014 jedoch immer schneller zurück. Steigende Brennstoffkosten, die Konkurrenz durch günstigen Strom aus erneuerbaren Quellen und die CO2-Bepreisung machen Kohlekraftwerke zunehmend unrentabel. Man sieht einen »Fuel Switch« ab 2019 zum Erdgas, das prozentual die Steinkohle überholt. Nur während des ersten Jahres des Ukraine-Kriegs, das von sehr hohen Erdgas-Preisen geprägt war, gab es eine kurze Renaissance der Kohlestromerzeugung. Hinzu kam 2022, dass Deutschland viel Kohlestrom für Frankreich erzeugen musste, weil die Hälfte der französischen Kernkraftwerke nicht lief.

Grafik 4: Kohlestromerzeugung seit 1950

Für diese Grafik musste ich tief in den Archiven des Statistischen Bundesamtes graben. Denn Zahlen zur Stromerzeugung aus Kohle gibt es für die Nachkriegsjahre nicht digital, sondern nur in Papierform. Die Zahlen umfassen die Erzeugung in Gesamtdeutschland, also auch der ehemaligen DDR. Mit dem Wiederaufbau der Wirtschaft nach dem 2. Weltkrieg stieg die Nutzung von Kohlestrom stark an, wobei die Steinkohle zunächst einen größeren Anteil hatte. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre mit der Eröffnung großer Tagebaue. Insbesondere in der DDR wurde der Braunkohleabbau massiv vorangetrieben, um die Autarkie der Energieversorgung zu gewährleisten. Besonders stark wurde die Erschließung neuer Abbaufelder nach der Ölkrise 1973 vorangetrieben. Nach einem Peak Anfang der 1980er Jahre ging die Kohlestromerzeugung stetig zurück, insbesondere die Förderung von Steinkohle und die Erzeugung von Strom daraus wurde eingestellt. Die Erzeugung von Strom aus Kohle wurde durch die hohen Brennstoffkosten und CO2-Preise zunehmend unrentabel. 2022 erlebte die Kohleverstromung noch einmal eine kurze Renaissance, weil sie durch die hohe Nachfrage aus Frankreich (stillstehende Atomkraftwerke) und hohe Erdgaspreise wegen des Ukrainekriegs zwischenzeitlich wieder wirtschaftlich war. Heute ist die Kohlestromerzeugung aber auf einem Allzeit-Tief.

Grafik 5: CO2-Emissionen seit 1990

Kohlendioxid ist das Treibhausgas mit dem höchsten Anteil an den klimawirksamen Emissionen. Hier sehen wir eine erfreuliche Entwicklung: Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien, dem Rückgang der fossilen Stromerzeugung und einem Stromimportüberschuss bei gleichzeitig gesunkener Energienachfrage gingen auch die CO2-Emissionen der Energiewirtschaft zurück. Zwischen 1990 und 2023 halbierten sie sich nahezu auf etwa 175 Mio Tonnen. Einzig im Jahr 2022 gab es gegen den Trend noch einmal eine starke Zunahme der Emissionen, als wegen der Erdgas-Knappheit durch den Ukraine-Krieg und die starken Exporte nach Frankreich die Kohleverstromung kurzzeitig eine Renaissance erlebte.

Grafik 6: Temperaturen seit 1881

Der deutsche Wetterdienst erfasst die mittlere Lufttemperatur seit 1881. Diese lag in der Vergleichsperiode von 1961 – 1990 bei 8,2 Grad Celsius. Der Mittelwert von 2000 bis 2023 lag dagegen schon bei 9.56 Grad Celsius. 2023 war das bisher wärmste Jahr mit einer mittleren Jahrestemperatur von 10,6 Grad Celsius. Der Fit-Wert ist der kubische Trend in der Temperaturentwicklung. Hier betrug die mittlere Temperatursteigung für Deutschland in den letzten zwanzig Jahren 0.6 Kelvin pro Jahrzehnt.

Grafik 7: Installierte Leistung erneuerbarer Energien

Die Photovoltaik war bei der Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2000 noch ein zartes Pflänzchen in Deutschland, 2002 waren gerade einmal 300 Megawatt installiert. Doch der Ausbau nahm schnell an Dynamik zu, innerhalb von fünf Jahren verzehnfachte sich die installierte Leistung. Eine attraktive Einspeisevergütung und sinkende Modulpreise sorgten in den Jahren 2007 bis 2011 für hohe Zubauraten. Bis der damalige Umweltminister Altmaier zusammen mit Finanzminister Rösler die Förderung für Solarstrom zusammenstrich und der Markt zusammenbrach: Der Ausbau stürzte von 8 auf 1,2 GW jährlich ab und brauchte zehn Jahre, um wieder zur alten Dynamik zurückzufinden.

Die Onshore-Windkraft war mit 12 Gigawatt installierter Leistung im Jahr 2002 die stärkere Energiequelle. Auch sie erlebte ein dynamisches Wachstum, bis sie 2017 unter dem damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) einen ähnlichen Knick erlebte. Dieser war vor allem eine Folge des Übergangs zu Ausschreibungen sowie restriktiver Abstandsregeln. Die Offshore-Windkraft entwickelte sich erst ab 2014 und blieb in ihrer Ausbaudynamik deutlich hinter den Onshore-Anlagen zurück, unter anderem weil es 2019 und 2020 unter Wirtschaftsminister Altmaier keine Ausschreibungen gab.

Grafik 8: Installierte Speicherleistung

Um witterungsbedingte und tageszeitliche Schwankungen in der Erzeugung von Wind- und Solarstrom auszugleichen, sind große Stromspeicher nötig. Sie nehmen den Strom auf, der in Zeiten des Überschusses an erneuerbarer Erzeugung entsteht, um Redispatch-Kosten zu vermeiden. Zudem stellen sie Reserveleistung und Regelenergie bereit, was die Netzsicherheit erhöht. Nach einer aktuellen ISE-Studie werden bis 2030 100 Gigawatt an Großspeichern benötigt, bis 2045 sogar 180 GW. Traditionell waren Pumpspeicher-Kraftwerke in Deutschland die dominierende Technologie, um im großen Maßstab und hochflexibel Strom zu speichern. Allerdings sind in Deutschland nur rund 30 Anlagen in Betrieb, neue werden kaum hinzukommen. Umso erfreulicher, dass neben den Heimspeichern nur auch vermehrt elektrische Energiespeicher im Megawatt-Maßstab ans Netz gehen und sich die Zubauzahlen jährlich verdoppeln. 2024 haben die Batteriespeicher die Pumpspeicher in der installierten Leistung überholt. In ca. zwei Jahren werden sie auch mehr Speicherkapazität als die Pumpspeicher haben.

Grafik 9: Installierte Leistung von Solar und Wind in der EU

Ist der Ausbau der erneuerbaren Energien ein deutscher Sonderweg? Mitnichten, wie der Blick auf die gesamte Europäische Union zeigt: die installierte Leistung von Photovoltaik- und Windkraftanlagen hat sich von 2014 bis 2023 mehr als verdoppelt. Während anfangs die Onshore-Windkraft dominierende Technologie war, hat die Photovoltaik dank einer starken Zubaudynamik 2023 die führende Position bei der installierten Leistung übernommen. Bei der Stromerzeugung führt jedoch der Wind onshore aufgrund der höheren Volllaststunden. Ähnlich wie in Deutschland ist der Ausbau der Offshore-Windkraft in der EU sehr schwach.  

Grafik 10: CO2-Konzentration in der Luft

In den vergangenen Jahrzehnten ist die Energiewende mit großen Schritten voran gegangen – sogar schneller, als es manch einer erwartet hätte (»Erneuerbare Energien werden nie mehr als 4 Prozent zur Stromerzeugung beitragen«). Der Anteil Erneuerbarer an der deutschen Nettostromerzeugung liegt heute bei 60 Prozent, die fossile Erzeugung ist entsprechend stark zurück gegangen. Dass wir uns auf diesen Erfolgen nicht ausruhen dürfen, zeigt die letzte Grafik unserer Reihe: die CO2-Konzentrationen in der Luft, hier am Beispiel Schauinsland (Freiburg), steigt weiter an, weil sich das Treibhausgas über Jahrzehnte in der Luft hält. Wir müssen weltweit an der Umsetzung der Klimaschutzziele arbeiten und unsere Treibhausgas-Emissionen bis 2045 auf null herunterfahren, dann können wir den Trend dieser planetaren Fieberkurve stoppen.

Und nun laden wir euch ein, selbst im Datenschatz der Energy-Charts zu stöbern!

Bruno Burger

Prof. Bruno Burger arbeitet als Abteilungsleiter »Neue Bauelemente und Technologien« am Fraunhofer ISE

Er hat an der Universität Karlsruhe Elektrotechnik studiert und dort promoviert. Seit 2001 arbeitet er am Fraunhofer ISE, wo er die Abteilung Leistungselektronik aufbaute und bis 2013 leitete.
Seit 2011 beschäftigt er sich mit der Visualisierung von Energiedaten und betreibt seit 2014 die Seite energy-charts.de, auf der stündlich aktualisierte Energiedaten in Form von attraktiven Grafiken zur Verfügung gestellt werden.

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