Innovation4E

Gemischtes Doppel: Wie ist es, als Gastwissenschaftler*in zu arbeiten?

Dr. Jasna Jankovic, Associate Professor am Department of Materials Science and Engineering der University of Connecticut, arbeitete von Dezember 2024 bis Mai 2025 als Trägerin des Fraunhofer-Bessel-Forschungspreises als Gastwissenschaftlerin am Fraunhofer ISE. Die gemeinsame Forschungsarbeit befasste sich mit der Entwicklung fortschrittlicher Ex-situ-Charakterisierungsmethoden für neuartige, innovative Brennstoffzellen- und Elektrolyseur-Materialien. Zur gleichen Zeit arbeitete Dr. Hannes Höffler, Brennstoffzellenexperte am Fraunhofer ISE, als Gastwissenschaftler an der University of Connecticut. In diesem Doppelinterview sprechen sie über ihre Erfahrungen mit dem Austausch über den Atlantik.

Wie kam es zu dem wechselseitigen Austausch?

Jasna: Ich hatte meinen Forschungsaufenthalt am Fraunhofer ISE im Rahmen meines Fraunhofer-Bessel-Forschungspreises schon seit einiger Zeit geplant, und als ich mit Ulf Groos, Abteilungsleiter Brennstoffzelle am Fraunhofer ISE, über den Aufenthalt sprach, kam das Thema Wohnungsmangel in Freiburg auf. Er schlug vor zu fragen, ob jemand aus seiner Abteilung am Fraunhofer ISE an einem Wohnungstausch interessiert wäre. Zu diesem Zeitpunkt schien die Idee weit hergeholt zu sein. Doch als Ulf in einer Teamsitzung das Interesse abfragte, meldete sich Hannes. Wir waren uns noch nie begegnet, also trafen wir uns einmal per Videocall und dann besuchte Hannes im Sommer 2024 meine Universität und meine Wohnung, und es gefiel ihm. Er hat mir seine Wohnung per Video gezeigt, und auch sie hat mir gefallen. Also fassten wir den Plan eines Gastwissenschaftler-Austauschs und Wohnungen, Büros und Teams zu tauschen. Hannes wohnte mit seiner Familie in meinem Haus in Willington in der Nähe von Storrs, Connecticut, und nutzte mein Büro an der UConn im Center for Clean Energy Engineering, während ich in seiner Wohnung in Freiburg wohnte und sein Büro am Fraunhofer ISE nutzte. Er arbeitete in meinem Team, während ich hier bei seinem Team in der Charakterisierung von Brennstoffzellen untergebracht war und an der Forschungsarbeit und deren Meetings teilnahm. Ich glaube, für uns beide war es eine tolle Erfahrung!

Forschungsteam an der UConn: Hannes (Dritter von links) arbeitete ein habes Jahr in Jasnas (Vierte von links) Abteilung für Materialwissenschaft und Werkstofftechnik. (© Hannes Höffler)
Forschungsteam an der UConn: Dr. Hannes Höffler (Dritter von links) arbeitete ein halbes Jahr als Gastwissenschaftler in Dr. Jasna Jankovics (Vierte von links) Abteilung für Materialwissenschaft und Werkstofftechnik und Zentrum für saubere Energietechnik. (© Hannes Höffler)

An welchen Themen hast du während deines Auslandsaufenthaltes gearbeitet?

Hannes: Die Forschungsgruppe von Jasna an der UConn ist international bekannt für ihre Expertise im Verständnis der Mikrostruktur von katalysatorbeschichteten Brennstoffzellen-Membranen (CCMs). Während meines Aufenthalts an der UConn hatte ich die Möglichkeit, mit hochmodernen Geräten wie Transmissionselektronenmikroskopen (TEMs), fokussierten Ionenstrahlmikroskopen (FIBs) und Röntgenbeugung (XRD) zu arbeiten. Ich durfte diese Geräte benutzen, um Proben zu untersuchen, die in unseren Labs am Fraunhofer ISE hergestellt wurden. Aber noch wichtiger ist, dass ich nicht nur die Geräte benutzen durfte, sondern auch die Möglichkeit hatte, sie zusammen mit den Expertinnen und Experten aus Jasnas Forschungsgruppe zu benutzen, was wesentlich zu meinem Verständnis der Interpretation der Ergebnisse beitrug. Ein spezielles Thema, an dem wir gearbeitet haben, war die Visualisierung von reinem Kohlenwasserstoff-Ionomer (HC) innerhalb der Katalysatorschichten von HC-CCMs. Solche HC-CCMs bieten eine Alternative zu den umweltbelastenden PFAS-Komponenten, die in herkömmlichen Brennstoffzellen-CCMs verwendet werden.

Jasna: Am ISE habe ich mit dem Team an einer sehr neuartigen Methode der XPS-Analyse (Röntgen-Photoelektronen-Spektroskopie) gearbeitet: Dr. Sebastian Praß, der am ISE im Bereich Charakterisierung von Brennstoffzellen forscht, und ich haben Brennstoffzellen-Proben auf eine ganz besondere Art und Weise präpariert, sodass wir Querschnittsanalysen mit XPS durchführen konnten (etwas, was bis dato noch nicht erfolgreich durchgeführt worden war). Mein ISE-Kollege Dr. Michael Günthel und ich sammelten eine riesige Menge XPS-Daten mit dem innovativen XPS des ISE. Wir haben auch gute Protokolle für die Nutzung dieses Spektrometers für Brennstoffzellen- und Elektrolyseurproben erstellt und es entsprechend aufgesetzt. 

Dr. Jasna Jankovic vor dem Hochtemperatur-Umgebungsdruck-Röntgenphotoelektronen-Spektrometer (HT-NAP-XPS) am Fraunhofer ISE. (© Fraunhofer ISE)
Dr. Jasna Jankovic vor dem Hochtemperatur-Umgebungsdruck-Röntgenphotoelektronen-Spektrometer (HT-NAP-XPS) am Fraunhofer ISE. (© Fraunhofer ISE)
Gemeinsam mit Dr. Nada Zamel (r.) und den Kolleginnen und Kollegen der Abteilung Brennstoffzelle am Fraunhofer ISE hat Jasna an PFAS-freien Materialien und Katalysatorschichten auf Kohlenwasserstoffbasis gearbeitet und dabei modernste Charakterisierungsmethoden angewendet. (© Fraunhofer ISE)
Gemeinsam mit Dr. Nada Zamel (r.) und den Kolleginnen und Kollegen der Abteilung Brennstoffzelle am Fraunhofer ISE hat Dr. Jasna Jankovic an PFAS-freien Materialien und Katalysatorschichten auf Kohlenwasserstoffbasis gearbeitet und dabei modernste Charakterisierungsmethoden angewendet. (© Fraunhofer ISE)

Jasna: Zudem habe ich an neuen, PFAS-freien Katalysatorschichten gearbeitet, die das ISE-Team entwickelt, und zu verstehen versucht, wie sich diese neuen Katalysatorschichten von den gängigen, auf PFAS basierenden Schichten unterscheiden. Gleichzeitig untersuchte Hannes mit meinem Team an der UConn dieselben Proben mit TEM, SEM und XRD. Wir werden die Ergebnisse zu einer Studie zusammenfassen und erwarten mindestens 3-4 Veröffentlichungen aus dieser gemeinsamen Arbeit. Ulf Groos und ich haben außerdem einen großartigen Workshop des Netzwerks zur Forschung und Bildung im Bereich grüner Wasserstoff (“Research and Education Accelerated by Connections in Clean Hydrogen REACH2”) organisiert, an dem 120 Personen aus 16 Ländern teilnahmen. Das war ein schöner Erfolg. Ich möchte dem Fraunhofer ISE und vor allem den Kolleginnen und Kollegen für die freundliche Aufnahme in die Abteilung »Brennstoffzelle« danken. Danke Ulf Groos und Dr. Nada Zamel für die die Nominierung zum Fraunhofer-Bessel-Preis und die Organisation und der Alexander von Humboldt-Stiftung für die Finanzierung dieses Aufenthalts. Ich bin allen so dankbar für diese tolle Chance!

Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops zur Forschung und Bildung im Bereich grüner Wasserstoff ("Research and Education Accelerated by Connections in Clean Hydrogen REACH2") mit den Seminarleitenden Ulf Groos (links) und Dr. Jasna Jankovic (Zweite von links). (© Fraunhofer ISE)
Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops zur Forschung und Bildung im Bereich grüner Wasserstoff (“Research and Education Accelerated by Connections in Clean Hydrogen REACH2”) mit den Seminarleitenden Ulf Groos (links) und Dr. Jasna Jankovic (Zweite von links). (© Fraunhofer ISE)

Die akademische Welt ist grundsätzlich sehr international ausgerichtet. Gibt es dennoch Unterschiede in der Forschungsarbeit zwischen den USA und Deutschland?

Jasna: Ich habe keine großen Unterschiede in der Forschungsarbeit zwischen den USA und Deutschland festgestellt. Beide Teams sind sehr begeistert bei ihrer Arbeit, beide Institutionen haben große komplementäre Kompetenzen, und wir arbeiten nahtlos zusammen. Ich habe mich am ISE sofort zu Hause gefühlt 😊

Hannes: An einer Universität zu arbeiten, war schon ein Unterschied im Vergleich zur Arbeit bei Fraunhofer. Bei Fraunhofer ist die Verbindung zur Industrie sehr stark, während man sich bei der UConn stärker darauf konzentriert, die exzellente Forschung in Publikationen zu überführen. Nichtsdestotrotz habe ich an der UConn – und das ist wahrscheinlich an deutschen Universitäten anders – eine ziemlich starke Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie erlebt. Insgesamt würde ich sagen, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen Forschungsgruppen wahrscheinlich größer sind als die allgemeinen Unterschiede zwischen Deutschland und den USA.

Welche Unterschiede habt ihr im Alltag festgestellt? Gibt es etwas, das ihr gern für den Alltag zu Hause übernehmen würdet?

Jasna: Die gute Work-Life-Balance in Deutschland gefiel mir wirklich gut! Für mich ist das der größte Unterschied. Ich habe die schönen Straßen von Freiburg genossen, die lebendigen Cafés, Wanderungen und Spaziergänge und schnelle Ausflüge in die umliegenden Städte mit dem Zug. In den USA arbeiten die Menschen (zumindest ich) zu viel und genießen das Leben zu wenig. Wir sollten ein besseres Gleichgewicht finden, mehr Freizeit haben und … mehr Züge für ein einfaches Reisen. Mir gefiel auch, wie nachhaltig Freiburg ist – alle sind mit dem Fahrrad unterwegs oder gehen zu Fuß. Das versuche ich zu Hause auch, aber die Straßen sind eher für Autos ausgelegt. Und ich mochte das tägliche gemeinsame Mittagessen mit dem Team. Jeden Tag um 11:30 Uhr jemanden „Mahlzeit!“ rufen zu hören und dann mit dem Team zu Mittag zu essen, war toll. Ich bin dem ISE-Team so dankbar, dass sie mich wie eine der ihren aufgenommen haben.

Hannes: Für uns als Familie war es sicher eine interessante Erfahrung, in einem Haus im Wald zu wohnen, während wir in Freiburg das Leben in der Stadt gewohnt sind. Ich habe es sehr genossen, auf der Terrasse zu sitzen und einfach den Geräuschen der Natur zu lauschen. Alle Menschen, die ich getroffen habe, waren sehr freundlich und es war leicht, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Ich habe es allerdings vermisst, einfach mit dem Fahrrad oder sogar zu Fuß in ein Straßencafé zu gehen. Das war in Connecticut nicht möglich. Wenn ich mir aber eine Sache aussuchen sollte, die ich gerne mit nach Hause nehmen würde, dann wäre es die Mittelschule, die mein 13-jähriger Sohn während unseres Aufenthaltes besuchte. Die Motivation und die positive Einstellung der Schule und der Lehrkräfte waren überwältigend.

Leben auf dem Land: Hannes genoss die Ruhe seiner Austausch-Unterkunft. (© privat)
Leben auf dem Land: Hannes genoss die Ruhe seiner Austausch-Unterkunft. (© privat)

Wird es weitere gemeinsame Projekte zwischen Fraunhofer ISE und UConn geben? Zu welchen Themen?

Hannes: Es wird sicher eine kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen unseren Forschungsgruppen geben. Diese könnte auf gemeinsamen Publikationen beruhen und wäre idealerweise auch finanziell abgesichert. Gerade wenn es um die Visualisierung von Mikrostrukturen in Kohlenwasserstoff-CCMs und deren Verständnis geht, konnten während des Austauschs wissenschaftlich interessante Fragestellungen identifiziert werden. Vor allem aber denke ich, dass der Austausch das Vertrauen zwischen den Mitarbeitenden der einzelnen Forschungsgruppen gestärkt hat, was die Grundlage für eine produktive Zusammenarbeit ist.

Vielen Dank, Jasna und Hannes, für eure Antworten, und alles Gute für die weitere transatlantische Zusammenarbeit.

Titelbild: © Hannes Höffler

Innovation 4E

Das Redaktionsteam von Innovation4E betreut diesen Blog.

Wir unterstützen die Bloggerinnen und Blogger bei der Themenfindung, führen Interviews und sammeln Ideen für weitere interessante Beiträge. Wir freuen uns über Fragen, Anregungen, Kommentare und konstruktive Kritik.

Kommentieren

Innovation 4E

Sie haben Fragen oder Anmerkungen? Sie finden ein Thema besonders spannend und möchten gerne mehr darüber lesen? Kontaktieren Sie uns. Wir werden uns um Ihr Anliegen kümmern!

Kontakt

Folge uns