Folge 10 der Serie «Wärmepumpen im Bestand» mit der Frage, ob es vorteilhaft ist, eine Hybridanlage im Bestandsgebäude zu installieren.
Um die Sinnhaftigkeit von Hybridanlagen zu bewerten, sollte man zunächst ein paar Begrifflichkeiten klären. Die einfachste Konfiguration eines Heizungssystems mit einer Wärmepumpe bezeichnet man als „monovalent“. Hierbei wird die gesamte Wärme ausschließlich über die Wärmepumpe bereitgestellt. Obwohl viele Wärmepumpensysteme genau so arbeiten, sind die meisten mit einem zusätzlichen Heizstab ausgestattet. Weil der Heizstab und die Wärmepumpe den gleichen Energieträger (Strom) nutzen, werden solche Systeme als „monoenergetisch“ bezeichnet.
Was ist eine Hybridanlage?
Wenn neben der Wärmepumpe ein weiterer Wärmeerzeuger (zum Beispiel Gas- oder Ölkessel) die Heizwärme liefert, ist von „bivalenten“ Systemen die Rede. Unter einer Wärmepumpen-Hybridanlage wird meist ein System verstanden, in dem zwei Energieerzeuger mit verschiedenen Energieträgern in einem Gerät zusammengefasst sind oder beide Geräte zumindest über eine gemeinsame Steuerungseinheit verfügen.
Auf dem Markt sind sowohl Anlagen verfügbar, die vor allem eine Wärmepumpe sind und zusätzlich mit einem kleinen „Spitzenkessel“ ausgestattet sind, als auch Geräte, die aus einem Gas- oder Ölkessel mit hohem Anteil an der Gesamtleistung bestehen und zusätzlich eine kleine Wärmepumpe haben.
Warum könnte man eine Hybridanlage in Betracht ziehen?
Ein möglicher Grund könnte ein sehr hoher Heizenergiebedarf des Hauses und die daraus resultierenden Leistungsanforderungen an die Wärmepumpe sein. Sollte die Wärmepumpe nicht in der Lage sein, die notwendige Wärme in jedem Fall zu liefern, muss sie durch einen zusätzlichen Wärmeerzeuger unterstützt werden. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern ist dieser Fall sehr unwahrscheinlich. Die Ergebnisse aus den Monitoringprojekten in Bestandsgebäuden zeigen, dass die Wärmepumpen auch in sehr kalten Perioden in der Lage sind, die notwendige Wärme zu liefern – entweder allein oder mit geringfügiger Unterstützung durch den Heizstab (Folge 2, Folge 5). Eine zu geringe Leistung kann jedoch bei Mehrfamilienhäusern ein Problem sein. Häufig ist der Grund dafür eine limitierte Wärmequelle.
Ökologische Überlegungen können ein zweiter Grund für Hybridanlagen sein. Mit fallenden Außentemperaturen, sinkt auch die Effizienz der Wärmepumpe. Unterhalb eines bestimmten Effizienzniveaus und bei einem eher durch fossile Energien geprägten Strommix könnte es ökologischer sein, mit dem Gaskessel, statt mit einer Wärmepumpe zu heizen. Das Thema wurde detailliert in der Folge 7 der Serie beschrieben.
Und schließlich könnte es noch einen ökonomischen Grund geben: die außentemperaturabhängige Effizienz der Wärmepumpe ist ausschlaggebend für die momentanen Betriebskosten der Anlage. Unterhalb einer bestimmten Außentemperatur könnte die Effizienz der Wärmepumpe so niedrig sein, dass sich der vorübergehende Einsatz eines Gaskessels lohnt.
Beide Aspekte, Ökologie und Betriebskosten, sind neben der Effizienz der Wärmepumpe abhängig von weiteren Randbedingungen. Im Fall der Ökologie, also einem Betrieb mit möglichst geringen CO2-Emissionen sind es die Emissionsfaktoren (Strommix), und bei den Betriebskosten spielen offensichtlich die Strom- bzw. Gaskosten eine wesentliche Rolle. Die folgende Grafik zeigt, ab welcher Außentemperatur eine Wärmepumpe bzw. ein Gaskessel aus der ökologischen und ökonomischen Perspektive vorteilhaft wäre. Der Vergleich wurde für die Parameter von heute als auch für die Zeit nach dem Jahr 2025 in Deutschland durchgeführt.
Die Grundlage für die Berechnung bildet eine Verteilung der Heizenergiemengen auf die einzelne Temperaturgrade und eine Luft/Wasser-Wärmepumpe mit einer Effizienz von 3,7 bei dem Betriebspunkt A2/W35. Die Effizienzannahme ist eher konservativ. Auf dem Markt gibt es Produkte, die unter denselben Bedingungen Effizienzwerte zwischen 3,1 und 4,7 haben. Die Heizkreistemperaturen wurden für Heizkörper berechnet.
Neben den „Grenztemperaturen“, unterhalb derer es vorteilhaft ist, mit einem Gaskessel zu heizen, ist in der Grafik auch der der Anteil der Heizwärme, den die Wärmepumpe insgesamt decken kann, dargestellt. So ist beispielsweise bei denen Werten aus 2019 die Grenztemperaturaus ökologischer Sicht erst bei -20°C erreicht. Demzufolge übernimmt die Wärmepumpe praktisch die gesamte Wärmebereitstellung. Natürlich ist die Situation noch vorteilhafter für die Wärmepumpen, wenn die Strom-Emissionsfaktoren weiter sinken. Im ökologischen Vergleich mit dem Gaskessel spielt das allerdings keine Rolle mehr (siehe auch Folge 7).
Wirtschaftliche Perspektive auf Hybridanlagen
Aus wirtschaftlicher Perspektive ergibt sich ein anderes Bild, zumindest angesichts der heutigen Strom- und Gaspreise in Deutschland (mehr in Folge 8). Unterhalb einer Außentemperatur von 2°C ist es heute rein ökonomisch noch vorteilhaft, mit dem Gaskessel zu heizen. Dann übernimmt der Gaskessel 45% und die Wärmepumpe 55% der Wärmebereitstellung. Wenn wir allerdings die sich abzeichnende Kostenentwicklung ab dem Jahr 2025 betrachten, verändert sich die Lage. Dann wird der Gaspreis von 6,5 Cent auf 8,5 Cent gestiegen sein, aufgrund der angenommenen Kosten pro Tonne CO2 in Höhe von 100€. Die Stromkosten könnten durch eine Senkung der EEG-Umlage von 24 Cent (Mittelwert Wärmepumpentarif 2020) auf etwa 20 Cent fallen.
Dann läge die Grenztemperatur bei -11°C und die Wärmepumpe könnte 99% der Wärmebereitstellung übernehmen. Selbst wenn die Stromkosten nicht sinken sollten, würde auch allein die schon gesetzlich vorgesehene Erhöhung der Gaspreise zu einer Grenztemperatur von -5°C und einem vorteilhaften Wärmepumpenanteil von 93% führen.
Die dargestellten Vergleiche machen deutlich, dass Hybridanlagen aus ökologischen Gründen bereits jetzt im Vergleich zu einem reinem Wärmepumpenbetrieb nicht sinnvoll sind. Die Betriebskostenbetrachtung weist bei den heutigen Preisen zwar noch einen gewissen Vorteil beim Gaskessel aus, aber dies wird sich zugunsten eines reinen Wärmepumpenbetriebs schnell ändern.
Eine interessante sowie ökonomische als auch ökologische vorteilhafte Anwendung von hybriden Wärmepumpensystemen in Bestandsgebäuden kommt in den Niederlanden zum Einsatz. Dort werden unter spezifischen Randbedingungen kleine Wärmepumpen als „add-on“ Geräte zu dem bestehenden Gaskessel installiert. Diese sehr kompakten und günstigen Geräte nutzen die Abluft aus den Innenräumen als Wärmequelle (in Holland sind die meisten Häuser mit mechanischen Abluft-Lüftungssystemen ausgestattet) und lassen sich damit schnell und wenig invasiv installieren. Verstärkt durch die günstigen Strompreise, können die Bewohner mit wenig Investition, ihre Betriebskosten spürbar senken. Bei einer solchen Investition ist zu bedenken, ob nicht angesichts steigender CO2-Kosten gleich der Wechsel hin zu einer monovalenten Wärmepumpe die sinnvollere Option ist.
Bisher waren die Blogbeiträge der Serie fast ausschließlich den Ein- und Zweifamilienhäusern gewidmet. Wobei einige generelle Überlegungen auch für anderen Gebäudetypen gültig sind. In der nächsten Folge werden wir uns mit Wärmepumpen in Mehrfamilienhäusern beschäftigen.
Zum Weiterlesen:
Überblick über die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von Wärmepumpen.
Teil 9 der Serie «Wärmepumpen im Bestand»: Lohnt es sich, mit dem Umstieg auf die Wärmepumpe auf technologische Weiterentwicklungen zu warten?
Teil 8 der Serie «Wärmepumpen im Bestand»: Ist das Heizen mit Wärmepumpen nicht zu teuer?
Titelbild: Einfamilienhaus in Essen mit Luft-Wasser-Wärmepumpe. Ein Referenzobjekt des Bundesverband Wärmepumpe (BWP) e.V. © BWP.
Dieser Blogbeitrag wird finanziell durch die Stiftung Klimaneutralität unterstützt.
Zwei wesentliche Aspekte einer möglichen Effizienzsteigerung fehlen mir. Viele Häuser mit einem größeren Energiebedarf haben inzwischen auch Solarkollektoren für WW und Heizungsunterstützung, welche aber oft nicht die für den Wärmetauscher erforderlichen höheren Temperaturen erreichen, jedoch eigentlich nutzbare Energie für eine Wärmepumpe bereitstellen könnten.
Auch werden bei steigenden Außentemperaturen zunehmend Klimaanlagen eingesetzt, die große Mengen an „Abwärme“ (Splitgeräte) erzeugen, welche z.B. bei Hotels o.ä. Betrieben mit auch hohem Warmwasserbedarf bisher im Regelfall nicht genutzt wird.
Ich finde es bedauerlich, dass Hybridsysteme zunächst weitgehend abgelehnt werden, und zusagen erst im Kleingedruckten eingeräumt wird, dass „unter spezifischen Randbedingungen kleine Wärmepumpen als „add-on“ Geräte zu dem bestehenden Gaskessel“ Vorteile haben. Wäre das nicht eher der Regelfall bei einer Einführungsstrategie?
Ich sehe weitere Vorteile
* in dem geringeren elektrischen Leistungs-/Anschlußwert solchere kleinerer Anlagen, die sich somit besser für eine kurzfristig einsetzende Migrationsstrategie eignen, und
* der besseren Korrelation zum Stromangebot aus Wind und Sonne. An den kältesten Wintertagen scheint weniger Sonne als im Jahresdurchschnitt, daher wird der effektive CO2-Gehalt des Stromes höher sein.
Die Zusammenfassung in https://www.stiftung-klima.de/de/themen/gebaeude/mythen-zur-waermepumpe/ sagt jedenfalls nichts von kleinen Ergänzungsanlagen:
„Die dargestellten Vergleiche zeigen, dass Hybridanlagen aus ökologischen Gründen bereits jetzt im Vergleich zu einem reinem Wärmepumpenbetrieb nicht sinnvoll sind.“
„Bei einer solchen Investition ist zu bedenken, ob nicht angesichts steigender CO2-Kosten gleich der Wechsel hin zu einer monovalenten Wärmepumpe die sinnvollere Option ist.“