Innovation4E
Bidirektionales Laden im eigenen Energiesystem

Bidirektionales Laden im eigenen Energiesystem

Elektrofahrzeuge – die umgangssprachliche Bezeichnung für rein batterieelektrische Fahrzeuge – werden mehr und mehr zu einem festen Bestandteil unseres Straßenbilds. Ende 2024 waren in Deutschland rund 1,5 Mio1. E -Fahrzeuge zugelassen. Im Jahr 2023 wurden rund 16 TWh2 Strom im Verkehrssektor verbraucht, was derzeit nur wenige Prozent des Gesamtstrombedarfs sind. Aber die Strommenge, die für die Mobilität benötigt wird, steigt und muss aus fluktuierenden Energiequellen breitgestellt werden.

Bislang gab es für Eigenheimbesitzer mit Photovoltaik-Anlage (PV) und E-Fahrzeug-FahrerInnen nur ein lukratives Geschäftsmodell: Das Auto möglichst nur mit Strom vom eigenen Hausdach laden. Da man für eingespeisten PV-Strom rund 10 ct/kWh erhält und für Strombezug aus dem Netz einen mehrfach höheren Preis zahlen muss, ist dieses Betriebskonzept des solaren Ladens sehr sinnvoll. Im Projekt »Wallbox-Inspektion« untersuchen wir, wie effizient Wallbox-Systeme für solar gesteuertes Laden sind. Dabei zeigt sich, dass es am effizientesten ist, das Auto während der Sonnenstunden an der Ladestation zuhause zu laden.

Der Eigenverbrauchsquote – also der Anteil des Stromverbrauchs, der aus eigen erzeugtem Strom gedeckt wird – kann zusätzlich gesteigert werden, wenn ein Batteriespeicher eingesetzt wird. Hier setzt das Konzept des bidirektionalen Ladens an. Schließlich ist die Batterie der meisten E-Fahrzeuge rund 10-mal größer als ein normaler Heim(batterie)speicher. Es liegt also nahe, das Auto als Speicher zu verwenden. Dieser Frage sind wir in unserem Leitfaden »Bidirektionales Laden« nachgegangen. Es zeigt sich, dass in allen Anwendungsfällen von Vehicle2Home (z.B. Rentnerhaushalt, Berufstätige) die Eigenverbrauchsquote gesteigert werden konnte. Leider konnte dabei aber nur in wenigen Fällen die Stromrechnung reduziert werden. Dies liegt an der geringen Effizienz von bidirektionalen E-Fahrzeug-Ladegeräten. Ein normales Ladegerät ist dafür ausgelegt, ein Fahrzeug bei mehreren Kilowatt Leistung effizient zu laden. Wird beispielsweise nachts das Haus aus der Autobatterie versorgt, werden aber nur wenige 100 Watt benötigt. In diesem Leistungsbereich ist die Effizienz des Ladegeräts schlecht. Wir gehen aber davon aus, dass die Hersteller hierauf reagieren werden und sich dies mit der zunehmenden Verbreitung von bidirektionalem Laden verbessern wird.

Was heißt bidirektionales Laden – V2L, V2H, V2G?

In der Fachwelt werden verschiedene Formen des bidirektionalen Ladens unterschieden:

In der einfachsten Form des bidirektionalen Laden – Vehicle2Load (V2L) – speist die Fahrzeugbatterie über einen Wechselrichter eine Steckdose. Mit dieser können Elektrogeräte unabhängig vom Stromnetz betrieben werden, z.B. beim Camping. Da die Steckdose aber nicht mit dem Stromnetz verbunden werden kann, kann bei dieser Anwendungsform kein Energiemanagementsystem eingesetzt werden. V2L ist maximal zur Versorgung einzelner Geräte bei einem Stromausfall geeignet.

Beim netzgekoppelten bidirektionalen Laden ist das E-Fahrzeug über die Ladestation dauerhaft mit dem Stromnetz verbunden. Über die Ladestation speist die Fahrzeugbatterie direkt in das Hausenergiesystem ein. Wird Strom ausschließlich in das Hausenergiesystems eingespeist, zum Beispiel zum Steigern des Eigenverbrauchs, spricht man von Vehicle2Home (V2H). Wird zusätzlich in das Netz zurück gespeist, zum Beispiel beim Handel mit zeitvariablen Börsenstrompreisen, spricht man von Vehicle2Grid (V2G).

Im folgenden Video erklären wir die generelle Funktionalität von bidirektionalem Laden und erklären die grundlegenden Begriffe wie Vehicle2Home und Vehicle2Grid:


Wir setzen zum Einbinden von Videos den Anbieter YouTube ein. YouTube verwendet Cookies, um Informationen über die Besucher ihrer Internetseite zu sammeln. Wenn Sie das Video starten, könnte dies Daten­verarbeitungs­vorgänge auslösen. Weitere Informationen dazu finden Sie in der Datenschutzerklärung von YouTube.

Weitere Informationen zu unserer FuE-Infrastruktur finden Sie hier.

Warum lohnt sich bidirektionales Laden?

In den letzten Jahren haben sich zwei wichtige Änderungen im Energiesystem ergeben, die sehr spannend für Endkundinnen und -kunden sein können.

Partizipation an zeitvariablen Börsenstrompreisen

Großverbraucher aus der Industrie kaufen ihren Strom schon seit langem an der europäischen Strombörse ein. Mit dem zunehmenden Einsatz von Smart Metern gibt es immer mehr Anbieter, die variable Tarife auch Endkunden verfügbar machen. Hier kann es für E-Fahrzeugbesitzer*innen interessant werden.

Und so funktioniert es: Am Day-Ahead Markt – dem wichtigsten Markt für den Stromhandel – wird einen Tag im Voraus für jede Stunde ein Preis gebildet, der Gebote für Erzeugung und Verbrauch in Einklang bringt. Die Abbildung zeigt exemplarisch den Verlauf des Day-Ahead Preises3 aus dem Januar 2025.


Stromproduktion und Börsenstrompreise in Deutschland in Woche 2 2025.

Ist beispielsweise ein Überschuss aus Windenergie im System und gleichzeitig der Stromverbrauch niedrig, ergibt sich ein niedriger – oder vielleicht sogar negativer – Strompreis. Dies ist die ideale Zeit, um das Fahrzeug zu laden!

Wird umgekehrt ein wolkiger Mittag mit hohem Verbrauch erwartet und ist es auch gleichzeitig noch windstill, steigt der Strompreis. Jetzt wäre es lukrativ, den im E-Fahrzeug gespeicherten Strom zu hohen Preisen zu verkaufen.

Diese Beispiele zeigen, dass auch Endkundinnen und -kunden jetzt von zeitvariablen Strompreisen profitieren können. Dafür muss der zeitliche Verlauf des Stromverbrauchs allerdings an den Preisverlauf angepasst werden. E-Fahrzeuge sind dafür hervorragend geeignet. Bis zu 800 Euro Ersparnis oder ca. 15.000 kostenlose Fahrkilometer kann ein Haushalt mit cleverem Laden im Jahr erzielen. Das haben wir gemeinsam mit Kollegen vom Fraunhofer ISI in einer Studie für die europäische Organisation Transport & Environment T&E4 aufgezeigt.

„Dimmen“ durch den Netzbetreiber

Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) regelt die Grundsätze für ein stabiles Stromnetz. In der Vergangenheit haben Verteilnetzbetreiber vielen kleinen Verbrauchsanlagen, wie Wallboxen oder Wärmepumpen, den Anschluss ans Niederspannungsnetz nicht gestattet. Mit dem §14a EnWG dürfen Verteilnetzbetreiber solche Anschlussgesuche ab 2025 nicht mehr ablehnen. Im Gegenzug hat der Netzbetreiber dann aber auch die Möglichkeit, über die Smart Meter Infrastruktur steuernd einzugreifen und bei hoher Netzbelastung die Leistung über alle Anschlusspunkte zu „dimmen“.

Was bedeutet das für das Eigenheim mit Wallbox? Die Anforderungen nach §14a EnWG („dimmen“) machen in Zukunft eine stabile Kommunikation zwischen Hausenergiemanagement und Netz nötig. Dafür werden Smart Meter genutzt, über die die „Dimm“-Befehle des Netzbetreibers an Wallbox oder Wärmepumpe umgesetzt werden. Wenn ein Energiemanagementsystem (EMS) vorhanden ist, können darüber auch die zeitvariablen Tarife umgesetzt werden.

Dynamische Netzentgelte

Der §14 EnWG gibt dem Netzbetreiber ein weiteres Werkzeug an die Hand, die lokale Netzbelastung zu steuern. Entsprechend des aktuellen Netzzustands kann er ein dynamisches Netzentgelt festlegen. Beim Netzentgelt handelt es sich um eine Gebühr, die der Netzbetreiber für das Bereitstellen eines funktionierenden Netzes berechnet. Bis jetzt ist das Netzentgelt statisch und richtet sich nach der Anschlussleistung. Man kann das Netzentgelt als eine Art Strommaut verstehen.

Zukünftig kann dieses Netzentgelt dynamisch sein. Erwartet der Netzbetreiber einen hohen Verbrauch, kann er den Preis für die übertragene Kilowattstunde erhöhen, um die Netzauslastung zu steuern. Dieses dynamische Netzentgelt überlagert sich mit dem zeitvariablen Tarif, der in dieser Zeit vielleicht auch niedrig ist, weil es billigen Windstrom gibt. Die Umsetzung wird zeigen, wie gut das Zusammenspiel von globalem Strommarkt und lokaler Netzintegration funktioniert.

Fazit

Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass es immer wichtiger wird, auch Endverbraucher*innen zu einer aktiven Systemteilnahme zu motivieren. Je mehr fluktuierende Erzeugung direkt durch steuerbare Lasten wie Wärmepumpen und E-Fahrzeuge verbraucht wird, desto effizienter und preisgünstiger wird das Energiesystem für alle. Gelingt es Endverbraucher*innen, ihr Verbrauchsprofil an den zeitvariablen Stromtarif anzupassen, profitieren sie auch finanziell. 


  1. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/265995/umfrage/anzahl-der-elektroautos-in-deutschland/ ↩︎
  2. https://ag-energiebilanzen.de/wp-content/uploads/2023/11/awt_2023_d.pdf ↩︎
  3. https://energy-charts.info/charts/price_spot_market/chart.htm?l=de&c=DE&week=02&legendItems=2x1m0 ↩︎
  4. https://www.transportenvironment.org/uploads/files/2024_10_Study_V2G_EU-Potential_Final.pdf ↩︎

Quelle Titelbild: © stock.adobe.com/Summit Art Creations

Bernhard Wille-Haussmann

Dr. Bernhard Wille-Haussmann ist Leiter Netzbetrieb und Netzplanung.

Er kümmert sich um die intelligente Vernetzung aller steuerbaren Einheiten – Batterie, Großbatterien, E-Fahrzeuge. Dabei stehen die gesamtsystemische Integration sowie der Beitrag jedes Einzelnen im Vordergrund.

Kommentieren

Bernhard Wille-Haussmann

Sie haben Fragen oder Anmerkungen? Sie finden ein Thema besonders spannend und möchten gerne mehr darüber lesen? Kontaktieren Sie uns. Wir werden uns um Ihr Anliegen kümmern!

Kontakt

Folge uns