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Agrophotovoltaik – Bestehende Lösung für neue Probleme

Agrophotovoltaik – Bestehende Lösung für neue Probleme

Egal ob in Chile, Deutschland oder sonst wo auf der Welt, nach getaner Arbeit die »Ernte« einzufahren, ist ein befriedigendes Gefühl. Schließlich haben die meisten von uns schon im Kinderlied »Im Märzen der Bauer« gelernt: »er pflüget den Boden, er egget und sät […] und freut sich, wenn alles schön grünet und blüht«. Ganz so einfach wie in dem Lied aus den 1920ern ist die Situation heute nicht mehr. Landwirtschaftliche Betriebe und deren Bewirtschaftung sind erheblich komplexer, aufwendiger und energieintensiver geworden. Gleichzeitig zeichnen sich Konflikte um die Nutzungsmöglichkeiten landwirtschaftlicher Flächen ab. Ein Lösungsansatz bietet das interdisziplinäre Forschungsfeld »Agrophotovoltaik«, das untersucht wie landwirtschaftliche Flächen gleichzeitig für Pflanzen bzw. Nutztiere und Energiegewinnung durch Photovoltaik genutzt werden können.

Wie schön wäre es, wenn man die Ernte gleich zweimal einfahren – also Energie und Nahrung auf derselben Fläche generieren – könnte. Diesen Gedanken hatte 1981 schon unser Institutsgründer Prof. Adolf Goetzberger. Als er mit der Idee der doppelten Flächennutzung zwischen Pflanzen bzw. Tieren und Photovoltaik das Forschungsfeld der Agrophotovoltaik (APV) begründete, befürchteten Kritiker eine Beeinflussung des Landschaftsbilds und Bodenspekulationen mit unabsehbaren Konsequenzen (Quelle: Sonnenenergie (1981), Nr.3, S.19-22). Die Zeit war wohl nicht reif, und deshalb verschwand das Konzept für die nächsten 30 Jahre, zunächst in der Schublade…

Landnutzungskonflikte und ökonomischer Druck für die Landwirtschaft

Inzwischen haben sich die Rahmenbedingungen im Vergleich zu damals deutlich verändert. Immer höhere Relevanz gewinnt die Diskussion um den Landnutzungskonflikt zwischen Energiegewinnung und Nahrungsmittelproduktion – auch bekannt als »Tank-Teller-Trog-Debatte« – denn in der Regel kann auf einer Fläche nicht beides stattfinden.

In Deutschland wird eine herkömmliche Photovoltaik-Freiflächenanlage (PV-FFA) in der Regel im Flächennutzungsplan als »Sondergebiet Photovoltaik” ausgewiesen. So ein Gebiet entsteht, indem man brachliegende Gewerbegebiete, aber eben auch ertragsschwache Ackerflächen in Grünflächen umwandelt und eine PV-FFA darauf baut. Diese Fläche ist dann für die Nahrungsmittelproduktion nicht mehr verfügbar. Zwar wurden die für PV-Anlagen nutzbaren Ackerflächen mit der EEG-Novelle 2010 stark eingeschränkt, es ist jedoch absehbar, dass wieder ertragreiche Flächen genutzt werden, sobald durch weitere Kostensenkungen der PV-FFA eine Einspeisevergütung überflüssig wird und dieser Steuermechanismus damit wegfällt.

Diese Umnutzung der Landflächen hätte auf der einen Seite sowohl für die Politik als auch die gesamte Gesellschaft Nachteile. Denn generell ist es nicht wünschenswert, wenn PV-Anlagen gerade auf den fruchtbarsten Böden platziert werden. Dadurch wird Deutschland noch abhängiger vom Nahrungsmittelexport anderer Ländern als es ohnehin schon ist.

Auf der anderen Seite stehen die Landwirte, die durch die veränderten Rahmenbedingungen und den Landnutzungskonflikt unter Druck geraten. Viele kleine Höfe müssen aufgeben, während sich große, energieintensive Betriebe durchsetzen. Diese müssen ökonomisch hochleistungsfähig sein, um konkurrenzfähig zu bleiben. Um zu überleben, bauen viele Landwirte lieber Energie als Nutzpflanzen an. Bislang war dies hinsichtlich der Flächennutzung eine »Entweder-Oder-Entscheidung«.

Agrophotovoltaik – Die Idee mit der Doppelernte

An dieser Stelle denken wir wieder an die Schublade, in die die Idee von Prof. Goetzberger in den 80er Jahren verschwand…(es sei angemerkt, wie weitsichtig ein Mensch sein muss, um Lösungen für Probleme zu entwickeln, die in Zukunft erst entstehen werden)…, und natürlich an den Bauern aus dem Kinderlied, der sich darauf freut, wie schön alles grünt und blüht. Wie sehr würde sich dieser »Märzens-Bauer« wohl freuen, wenn er seine Ernte gleich doppelt einfahren könnte, also weder auf sein Ackerland, noch auf Agrarsubventionen und auch nicht auf die Eigenversorgung mit Energie verzichten müsste?

Das Konzept der APV bietet hier eine Lösung: In drei bis fünf Metern Höhe über der Ackerfläche werden Solarmodule auf Unterkonstruktionen installiert. Die Fläche darunter kann weiterhin für Ackerbau, Sonderkulturen wie z. B. Obst- oder Weinanbau sowie Nutztierhaltung verwendet werden. Eine simultane Gewinnung von Strom und Nahrungsmitteln wird möglich. Im Flächennutzungsplan soll diese »Mischfläche« zukünftig als »Sondergebiet Agrophotovoltaik« ausgewiesen werden.

Erste Untersuchungsergebnisse

Neben dem offensichtlichen Vorteil der Doppelnutzung der Flächen, hilft APV den Landwirten ihre Einkommensstruktur zu diversifizieren und damit krisenfester zu werden. Die Flächennutzung ist nun nicht mehr »Entweder-Oder« sondern »Sowohl-als-auch«.

Die von den Modulen verursachte Beschattung der Pflanzen und Tiere stellt keinesfalls einen unerwünschten Kompromiss dar. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass bei optimaler Platzierung und Ausrichtung der Module (s. Grafik 1) einige Kulturen sogar davon profitieren, dass sie weniger Licht- und Temperaturstress haben.

Grafik 1
Grafik 1: Verwendbare Nutzpflanzen – Fallstudie Deutschland

Auch die Ausrichtung der Module spielt beim Aufbau der Anlage eine wichtige Rolle. Die herkömmliche Ausrichtung der PV-Anlagen gen Süden, ist für das Pflanzenwachstum nicht optimal, da hier die Einstrahlung am Boden extrem ungleichmäßig verteilt ist (s. Grafik 2). Bessere Ergebnisse erzielte eine Südostausrichtung (s. Grafik 3).

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Grafik 2: Simulation der Bodeneinstrahlung unter APV-Anlagen; Orientierung: Süden.
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Grafik 3: Simulation der Bodeneinstrahlung unter APV-Anlagen; Orientierung: Südosten.

Besonders geeignet für den Anbau im Kontext der APV sind u.a. Kartoffeln, Weintrauben, Hopfen, Spinat, Salat und vieles mehr (s. Grafik 4).

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Grafik 4: Klassifikation der relevantesten Nutzpflanzen in der deutschen Landwirtschaft.

Vorteile für aride und netzferne Regionen

Ein wichtiger Nebeneffekt der Beschattung ist, dass der Bewässerungsbedarf sinkt. Gerade aride Gegenden mit hoher Sonneneinstrahlung bieten häufig optimale Bedingungen für die photovoltaische Energiegewinnung. Gleichzeitig leidet die Landwirtschaft dort oft unter permanenter Wasserknappheit.

Dieses Problem tritt häufig in Kombination mit einem weniger gut ausgebauten Stromnetz auf. Der Aufbau der Module auf den Ackerflächen bietet den zusätzlichen Vorteil, dass Landwirte in netzfernen Gegenden den Strom für den Eigenverbrauch nutzen und teure, CO2-intensive Dieselgeneratoren einsparen können. Das APV-Konzept trägt also in vielerlei Hinsicht dazu bei, Ressourcen einzusparen.

Beratung für das Projekt »AgroPV-Chile«

Diese Faktoren spielen auch im Projekt AgroPV-Chile«, das unsere Projektgruppe gemeinsam mit dem Fraunhofer Centro de Tecnologías para Energía Solar CSET durchführt, eine entscheidende Rolle. Aufbauend auf den ersten Ergebnissen aus unserem Projekt »APV-RESOLA«, bei dem wir als Projektleiter eine Versuchsanlage in der Gemeinde Herdwangen am Bodensee errichten und begleiten, sind wir in Chile gemeinsam mit anderen Projektpartnern als Berater tätig.

Im Projekt »AgroPV Chile« werden Demonstrationsanlagen in drei verschiedenen Regionen rund um die Hauptstadt Santiago de Chile aufgebaut. Die Höfe wurden mit Hilfe des Projektpartners Fedefruta (Federación Gremial Nacional de Productores de Fruta) ausgewählt. Hier spielten z. B. Fragen eine Rolle wie »Welche Pflanzen baut der Bauer an? «, »Wofür wird die Energie verwendet?«, »Ist der Standort ausreichend vor Diebstahl der Module geschützt?«, «Wie kann sie in den Stromkreislauf eingespeist werden?« oder »Gibt es einen Zwischenspeicher?«.

Ziel des Projekts ist es, das Zusammenspiel unterschiedlicher Ackerfrüchte und Klimaregionen zu testen. Das APV-Forschungsteam am Fraunhofer ISE unterstützt das Fraunhofer CSET hinsichtlich Bauvorbereitung, Kommunikation mit den Geldgebern, der Öffentlichkeit sowie der Entwicklung der Unterkonstruktion für die Module. Am Ende der 15-monatigen Projektlaufzeit steht dann noch die Beratung hinsichtlich des Geschäftsmodells aus.

Besonders beeindruckend schon zu Beginn der Zusammenarbeit mit den Landwirten ist die Offenheit für das gesamte Konzept. Sowohl auf Seiten der Geldgeber als auch der Studienteilnehmer ist ein erstaunlicher Enthusiasmus zu erkennen, obwohl deutlich weniger Mittel zur Verfügung stehen als in Deutschland.

Video: Projektreise zu den ausgewählten Landwirten in Chile…

Herausforderungen und Zukunftsperspektiven

Allerdings muss man an dieser Stelle einräumen, dass die Anlagen in Deutschland zukünftig komplexeren Anforderungen standhalten müssen als die Demonstrationsanlagen in Chile. Bereits die notwendigen Abstände der Stützpfeiler der Modulunterkonstruktion, stellen mit über 18 Metern, eine Herausforderung dar. Auf der einen Seite ist der Platz notwendig, da sonst die großen Landmaschinen nicht unter den Modulen hindurch fahren können, auf der anderen Seite ist es im Hinblick auf die Statik eine echte Herausforderung. Die Anlagen in Chile müssen maximal drei Meter hoch und auch nicht so breit sein, da die Landmaschinen dort kleiner sind, seltener zum Einsatz kommen und viele Aufgaben noch in Handarbeit erledigt werden. Ein weiterer Nebeneffekt in Deutschland: Durch den hohen Materialeinsatz für die großen Konstruktionen wird die Anlage teurer. So werden auch die Geschäftsmodelle zukünftig eine große Rolle bei unserer Arbeit spielen.

Trotzdem glauben wir daran, dass sich die Agrophotovoltaik in Zukunft durchsetzen wird. Wenn wir es mit dem Ausbau des Energiesystems ernst meinen, ist der weitere Ausbau der PV unverzichtbar. Hinsichtlich der stagnierenden Bebauung der Dach- und Freiflächen, stellt die APV eine attraktive Alternative dar. Und an das umgestaltete Landschaftsbild werden sich die Kritiker sicherlich gewöhnen. Anders ist ja nicht immer schlechter, sondern einfach nur anders.

Tabea Obergfell

Tabea Obergfell ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Agrophotovoltaik-Forschungsteam des Fraunhofer ISE.

Sie ist Geoökologin und Ingenieurin für Erneuerbare Energien. Für ihre Masterarbeit kam sie 2010 an das Fraunhofer ISE. Innerhalb des APV-Teams ist sie vor allem für die technischen Fragestellungen verantwortlich. Neben ihrem Schwerpunktthema APV forscht sie seit ihrem Master-Abschluss 2012 auch in den Themenfeldern Solarstrahlungssimulationen und gesellschaftliche Akzeptanz von Erneuerbaren Energien.

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Tabea Obergfell

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