Innovation4E

Gebäude digital – Teil 3: KI-Software für SHK-Betriebe

Mithilfe von Technologien wie Internet of Things (IoT), künstlicher Intelligenz (KI) und Big Data können Gebäude effizienter und nachhaltiger betrieben werden. Auch energetische Sanierungen und der Neubau von Wohnungen lassen sich durch digitale Prozesse wesentlich beschleunigen. Das Fraunhofer ISE forscht in verschiedenen Arbeitsgruppen zu digitalen Anwendungen im Bauwesen, den damit verbundenen Herausforderungen sowie Lösungen für Handwerk und Betriebe. Welche Chancen eröffnet die Digitalisierung für eine grüne Transformation des Gebäudesektors? Im dritten Teil unserer Innovation4E-Blogserie stellt Moritz Ihlenburg technologische Lösungsansätze des ISE für SHK-Betriebe vor. Der Wissenschaftler mit Schwerpunkt Datenanalyse arbeitet seit 2019 in verschiedenen Projekten zum Thema Energie- und Prozesseffizienz durch Digitalisierung.

Digitale Anwendungen für Handwerksbetriebe sind gefragt. Wie adressiert das ISE diesen wachsenden Markt?

Wir arbeiten in verschiedenen Projekten an der Entwicklung von digitalen Tools und Workflows zur Beschleunigung oder Vereinfachung von Arbeitsprozessen im SHK-Gewerk. Das betrifft sämtliche Abläufe von der Bestanderfassung und Planung über die Angebotserstellung bis hin zur Installation oder auch Betriebsführung gebäudetechnischer Anlagen. In unserem Projekt »DiBesAnSHK« haben wir zusammen mit Partnern aus der Softwareindustrie und Handwerksbetrieben z.B. einen Workflow für die Bestandserfassung von Heizungsanlagen entwickelt. Dadurch soll der per Hand recht aufwendige Prozess der Bestandserfassung für Handwerker und Handwerkerinnen beschleunigt werden, indem die Bestandsdaten direkt in ein digitales Modell der Anlage überführt werden.

Wie funktioniert die digitale Bestandserfassung von Heizungsanlagen?

Basierend auf der Aufnahme mit einem mobilen Endgerät, z.B. mit einem Smartphone oder Tablet, werden die Heizungskomponenten unter Nutzung von Lidar-Informationen automatisch erkannt. Anschließend wird daraus ein digitales Modell der Heizungsanlage erstellt. Dieses Modell kann mit weiteren Informationen, z.B. Produktdaten, angereichert werden, um ein möglichst vollständiges digitales Abbild der Anlage zu erzeugen und optimierte Workflows im Anlagenbetrieb, etwa zur Instandhaltung, zu ermöglichen. 

Wird dabei auch künstliche Intelligenz eingesetzt?

Ja, für die Objekterkennung der Anlagenkomponenten nutzen wir moderne Machine-Learning-Algorithmen aus dem Bereich der Computer Vision. Im Vorfeld haben uns kooperierende Handwerksbetriebe Aufnahmen von Heizungsanlagen zur Verfügung gestellt, die mit der Software eines unserer Partner generiert wurden. Diese Bildinformationen wurden anhand eines von uns entwickelten Klassifizierungssystem gelabelt und anschließend als Trainingsdaten genutzt. Hierauf aufbauend konnten wir schließlich ein Modell trainieren, das gängige Komponentenklassen in einem Heizungskeller, darunter Speicher, Kessel oder Wärmepumpe, erkennt.

Wie zuverlässig ist die Objekterkennung? Gibt es hier noch Entwicklungsbedarf?

Die von uns eingesetzte Objekterkennung basiert wie gesagt auf maschinellen Lernmethoden. Wir untersuchen aber auch, inwieweit der Einsatz von generativer KI, also z.B. von Large Language Models (LLMs) wie ChatGPT, die genannten Prozesse unterstützen kann. Im Rahmen der Bildverarbeitungsverfahren, die wir auf Heizanlagen anwenden, werden zusätzlich auch Typenschilder erkannt, die Informationen zu den Komponenten verschiedener Hersteller enthalten. Das sind zum Beispiel Produktnamen oder -kennzeichnungen, aber auch technische Parameter. Wir nutzen LLMs, um basierend auf diesen Informationen die passendste Komponentenklasse aus einer vorgegebenen Liste zu bestimmen. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass durch die Integration von LLMs eine höhere Genauigkeit bei der Klassifizierung der Heizungskomponenten mit Typenschildern erreicht werden kann. Dies gilt insbesondere für Bauteile, die von den Objekterkennungsmethoden nur schwer unterschieden, auf einem Typenschild jedoch eindeutig identifiziert werden können.

Die Projektpartner kommen aus der SHK- und IT- bzw. Softwarebranche. Wo besteht akuter Lösungsbedarf?

In »WESPE«, einem Projekt, an dem neben dem Zentralverband SHK, der Handwerkerinnung Berlin und Industrievertretern auch Forschende des Fraunhofer IBP beteiligt sind, geht es beispielsweise darum, den Wärmepumpenausbau zu beschleunigen. Ein Schlüssel hierfür ist die Reduktion der im Vergleich zu Gaskesseln langwierigeren Installationszeiten.  Im Rahmen des Projekts leiten wir das Arbeitspaket „Entwicklung von digitalen Workflows“ und haben mit der »Heat Pump PlanAR-App« eine digitale Anwendung entwickelt, die die Planungsprozesse der Hydraulik von Wärmepumpenanlagen beschleunigen soll. Für IT-Unternehmen sind diese Forschungen interessant, um sich im wachsenden Markt von Handwerker-Software mit innovativen Produkten platzieren zu können. Handwerksbetriebe wiederum können ihre Arbeit effizienter erledigen und dem Problem mangelnder Fachkräfte entgegensteuern.

Worin liegt die Innovation der Heat Pump PlanAR-App?

Unsere App unterstützt Installateure durch Augmented Reality und digitale 3D-Aufnahmen, indem sie automatisierte Vorschläge für die Anschluss- und Verrohrungsplanung liefert. Hierfür wird der Heizungsraum gescannt und diejenigen Zonen definiert, in denen keine Komponenten platziert werden können. Anschließend können entweder Schemata gängiger Wärmepumpeninstallationen oder einzelne Komponenten aus einer Liste – basierend auf VDI 3805 Datensätzen – importiert und in einer 3D-Raum- oder einer 2D-Planungsansicht frei platziert werden. Dabei werden die Verbindungen der Komponenten entsprechend ihrer Anschlussinformationen erstellt und durch einen Optimierungsalgorithmus automatisch im Raum verortet. In Zukunft wollen wir auch weitere, normative Aspekte, wie zum Beispiel die Anforderungen an den Aufstellort von Komponenten, berücksichtigen und Schnittstellen zu gängigen Handwerkersoftwares bereitstellen. Aktuell befindet sich die App noch in einem prototypischen Entwicklungsstadium.

Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit der Heizungsindustrie?

Da wir in unsere App nicht nur abstrakte Komponenten, sondern auf dem Markt verfügbare Produkte integrieren, nutzen wir die von Herstellern bereitgestellten Produktinformationen. Im besten Fall sind das standardisierte VDI 3805 konforme Produktdatenbeschreibungen von Komponenten, auf die die Algorithmen in der App zurückgreifen können. Für die automatische Verrohrung der Komponenten müssen dafür z.B. Informationen zu den jeweiligen Anschlüssen hinterlegt sein. Da die Informationsbereitstellung so ein wichtiges Thema ist, haben wir in »WESPE« auch die Datenverfügbarkeit und -qualität analysiert und tauschen uns regelmäßig mit verschiedenen Herstellern aus. Denn eine hohe Datenqualität ist die Grundlage für effiziente digitale Workflows und Tools.

Die Energiewende hängt nicht zuletzt von qualifizierten Fachkräften ab. Kooperiert das ISE auch mit Ausbildungsbetrieben?

Die Frage, wie die Aus- und Weiterbildung des SHK-Handwerks künftig aussehen wird, treibt uns definitiv um. Im Vergleich zum Einbau eines Gaskessels erfordert die Installation einer Wärmepumpe spezifische Fachkenntnisse, insbesondere im Umgang mit Kältemitteln oder dem Errichten von Fundamenten, aber auch vertiefte Kenntnisse in Elektrotechnik sind gefragt. Zudem erfordert die zunehmende Vernetzung verschiedener Smart Home-Komponenten ein großes Verständnis der Regelungstechnik und digitaler Themen. In dieser Hinsicht hinken die Lehrpläne der betrieblichen Ausbildung dem tatsächlichen Bedarf hinterher. Im Rahmen des Projekts »LearnSHK« untersuchen wir in Zusammenarbeit mit der Freiburger Handwerkskammer und der PH Freiburg, wie sich die Aus- und Weiterbildung im SHK-Bereich weiterentwickeln muss. Dabei skizzieren wir die zukünftigen technologischen Herausforderungen und identifizieren die erforderlichen Fertigkeiten, die Auszubildende erwerben sollten. Ziel ist, dass die in unseren Forschungsprojekten entwickelten Themen schnell in die Ausbildung implementiert werden.

Mit dem Prototypen der Heat Pump PlanAR-App wurde bereits ein erster Meilenstein erreicht. Wie geht es nun weiter?

Vom 17. bis 21. März 2025 präsentieren wir die App gemeinsam mit dem Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) auf der diesjährigen ISH. Messebesucherinnen und -besucher haben die Möglichkeit, die App an einem speziellen Messestand selbst auszuprobieren. Anschließend möchten wir die App in Zusammenarbeit mit interessierten Softwaredienstleistern weiterentwickeln und eine Lizenzierung erreichen. Interessierte sind herzlich eingeladen, mit uns ins Gespräch zu kommen!

Moritz Ihlenburg

Moritz Ihlenburg studierte physikalische Ingenieurwissenschaft an der TU Berlin und arbeitet seit 2020 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer ISE. Sein Schwerpunkt sind digitale Methoden und Datenanalyse für einen energieeffizienten Gebäudebetrieb.

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Moritz Ihlenburg

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