Produktionskosten für High-Tech-Massenprodukte senken – diese Fragestellung ist in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten vielleicht sogar noch relevanter als in Zeiten einer konjunkturellen Hochphase. Ein Beispiel für ein solches Massenprodukt ist die Silicium-Solarzelle. Hauchdünnes Material, hochreine Umgebungsbedingungen und höchste Anforderungen an die Produktionsbedingungen machen die Fertigung von Solarzellen zu einer der anspruchsvollsten Disziplinen innerhalb der Elektronikfertigung. Ein neuer Ansatz in der Bedruckung dieser filigranen Stückwaren könnte auch den Durchsatz vieler weiterer Elektronikprodukte verdoppeln.
Mit über 25 Milliarden produzierten Silicium-Solarzellen im Jahre 2019 stellen diese High-Tech-Bauteile ein riesiges jährliches Produktionsvolumen dar. Eine Studie des Fraunhofer ISE prognostiziert für die Energiewende in Deutschland exponentiellen Wachstum der installierten PV-Kapazität. Die Branche erwartet in den nächsten Jahrzehnten einen massiven Anstieg der Stückzahlen. Um dieses immense Produktionsvolumen effizient und wirtschaftlich bewältigen zu können, brauchen wir innovative Konzepte für die Elektronikfertigung.
Kombination zweier hoch entwickelter Technologien
Eine konkrete Lösung für genau diese Fragestellung haben wir im Verbundprojekt „Rock-Star“ entwickelt. Die Idee: Zwei hochentwickelte Technologien für die Massenfertigung unterschiedlicher Produkte können in Kombination ihre ganze Kraft entfalten und damit die Produktionskapazität auf ein neues Level heben. Konkret bedeutet dies eine Kombination von hochentwickelten Automatisierungskonzepten zum Handling fragiler Silicium-Wafer mit seit Jahrzehnten bewährter Rotationsdruck-Technologie zur Massenproduktion von Druckprodukten.
Heutzutage wird die Metallisierung von Silicium-Solarzellen nahezu ausschließlich im Flachbett-Siebdruckverfahren realisiert – einem bewährten und qualitativ hochwertigen Verfahren, das jedoch im Hinblick auf den Durchsatz begrenzt ist. Während der Druckvorgang im Flachbett-Siebdruck im Stillstand erfolgt, bietet der Einsatz von Rotationsdruckverfahren die Möglichkeit einer deutlich schnelleren Inline-Produktion mit kontinuierlich geförderten Bauteilen. Im Vergleich zum typischerweise auf bahnförmigen Substraten realisierten Rotationsdruck stellt die Zuführung und exakte Ausrichtung von empfindlichen Stückgut-Bauteilen eine komplexe technologische Herausforderung dar. Diese erfordert umfangreiche Expertise sowohl im Bereich der Automatisierung als auch in Bezug auf den Rotationsdruck.
Eine erste Anlage dank branchenübergreifender Zusammenarbeit
Die Bewältigung einer solchen Herausforderung kann nur gelingen, wenn Industrie- und Forschungspartner aus verschiedenen Branchen ihre Expertise in einen Topf werfen. Sechs Projektpartner aus unterschiedlichen Industriebranchen taten sich deshalb mit dem Fraunhofer ISE zusammen, um die Idee der neuen Produktionsplattform zum Leben zu erwecken. Eine ganz besondere Herausforderung besteht darin, Spezialisten aus verschiedene Welten gedanklich zusammenzuführen und ein gemeinsames Verständnis der gemeinsamen Lösung zu schaffen. Diese anspruchsvolle Aufgabe kann nur gelingen, wenn der Projektleiter die Sichtweisen aller beteiligten Partner versteht und mögliche Missverständnisse frühzeitig erkennt. Die intensive Zusammenarbeit im Rahmen eines Verbundprojekts erfordert ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen und Offenheit aller Partner.
Das Resultat dieser Zusammenarbeit steht jetzt im Labor: Ein speziell entwickeltes Transportkonzept auf Basis autonomer Shuttles in Verbindung mit modularen Rotationsdruckwerken. Es ermöglicht die Hochdurchsatz-Beschichtung von verschiedensten Stückgut-Komponenten mit der jeweils optimal geeigneten Druck- oder Beschichtungstechnologie. Von der Feinlinien-Metallisierung für Silizium-Solarzellen über den Druck leitfähiger Strukturen für Leiterplatten (PCBs) bis zur vollflächigen Beschichtung von Festoxid (SOFC)-Brennstoffzellen sind verschiedenste Anwendungsfelder in der Elektronikfertigung denkbar, in denen Beschichtungsprozesse eine Rolle spielen. Immer mit Fokus auf eine substantielle Erhöhung des Produktionsdurchsatzes im Vergleich zu bestehenden Produktionsverfahren. Denn was den hohen Ansprüchen von Silicium-Solarzellen genügt, funktioniert erst recht für andere Produkte der Elektronik-Industrie.
Titelbild © Andreas Lorenz / Fraunhofer ISE
Kommentieren